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Kultur: Disneys Figur ist ein etwas klischeehafter romantischer Actionheld - der soviel redet wie alle seine Vorgänger zusammen

Der Dschungel rief: Zum ersten Mal sollte 1950 ein Tarzan-Film, der 27. von 47 Kinoauftritten des Affenmenschen, in dessen Heimat Afrika gedreht werden.

Der Dschungel rief: Zum ersten Mal sollte 1950 ein Tarzan-Film, der 27. von 47 Kinoauftritten des Affenmenschen, in dessen Heimat Afrika gedreht werden. Leider hatte das Team die Regenzeit nicht bedacht: Im Nebel am Mount Kenia geriet der Drehplan rasch ins Rutschen, die dressierten Schimpansen stellten bibbernd die Arbeit ein. Auch die kalifornische Bräune Lex Barkers verblasste - und musste täglich in der Maske aufgefrischt werden, was die Eingeborenen köstlich amüsierte. Kurz, eine Katastrophe. "Tarzan rettet die Dschungelgöttin" wurde trotzdem ein Erfolg.

Auch der Studio-Urwald hat seine Tücken, die Legion der Tarzan-Darsteller, inzwischen 19, musste das immer wieder feststellen. Mal riss die Liane, mal wurde Tarzan vom Affen, vom Löwen gar gebissen, oder ein dressierter Elefant agierte zu realistisch und zerschmetterte einen der Schauspielerkollegen. Verständlich, dass die Disney-Produzenten diesmal auf Animation setzten; da bricht allenfalls die Bleistiftmine, oder der Computer stürzt ab. Es ist der erste Tarzan in diesem Genre. Eine erstaunlich späte Premiere - schließlich hatte der Tarzan-Erfinder und einstige Groschenheftschreiber Edgar Rice Burroughs schon 1936 auch Zeichentrick empfohlen: "Der Cartoon muss jedoch gut sein. Er müsste den vorzüglichen Disney-Filmen entsprechen."

Mit der neuen Folge des Endlos-Serials dürfte Burroughs zufrieden sein. Über die Film-Tarzans seiner Zeit hatte er sich oft geärgert, mal war ihm der verwaiste Sohn eines Lords nicht edel genug, zu äffisch gar, dann wieder zu menschlich. Der neueste Tarzan dagegen: todesmutig in der Gefahr, doch zugleich voll zartester Gefühle für seine Gorilla-Mama Kala und später für Jane, und überaus empfänglich für Bildung. Auch kehrt die Geschichte zu ihrem Ursprung zurück, schildert Tarzans Aufstieg vom Knäblein zum Herrn des Dschungels, die erste Konfrontation mit den Menschen, sein Baumeln zwischen den Welten.

Dennoch, Tarzan bleibt ein Kind der späten Neunziger, eher den Actionhelden der Gegenwart verwandt als den alten Kintopp-Größen - wenngleich sein kantiges Kinn weniger an Schwarzenegger erinnert als an die Dalton-Brüder, Lucky Lukes depperte Gegenspieler. Und in der Riege der Hauptdarsteller - oft Spitzensportler wie der zwölffache Tarzan Johnny Weissmüller, der fünf Mal olympisches Gold erschwommen hatte - ist der Neue der Extremsportler unter den Affenmenschen, ein kühner Freeclimber und Urwaldsurfer: Seine Jagden durchs Blattwerk gleichen wilden, fast übermenschlich anmutenden Achterbahn-Fahrten.

Das ist ganz amüsant und spannungsreich, bietet auch manchen optischen Reiz durch eine neue, "Deep Canvas" genannte Software, die räumliche Bilder vorgaukelt. Schade nur, dass die Gestaltung der Charaktere mal wieder im Klischee verharrt. Und als wären die gefühlshaltigen Mutter-Kind-Gespräche zwischen Tarzan und Kala nicht schon mehr als genug, säuselt Phil Collins auch noch Liedzeilen wie "Das Leben zeigt dir viel", auf Englisch, Deutsch, Italienisch, Französisch oder Spanisch, je nach Zielgruppe. So haftet Tarzan und seinen Gefährten etwas von Designprodukten an, zusammengebraut nach den vermeintlichen Bedürfnissen des Marktes. Gewiss werden die Zuschauer kichern oder johlen, wenn Kala über die vollen Windeln des kleinen Tarzan die breite Nase rümpft. Aber ein Klassiker entsteht aus solch plattfüßigem Witz nicht, und Balu und Mogli hätten sich derlei bestimmt nicht erlaubt. Der Vergleich mit Disneys 30 Jahre altem "Dschungelbuch" liegt nahe: Tarzans Elefantenfreund Tantor könnte auch in Colonel Hatis Dschungelpatrouille mitmarschieren, und Jane erwähnt in ihren Lobpreisungen viktorianischer Kultur kurz Rudyard Kipling, den Autor der Mogli-Geschichten, die als wichtigste Burroughs-Inspirationsquelle gelten.

Doch ob der Disney-Tarzan gegen Mogli, gegen Johnny Weissmüller, Lex Barker oder den Ur-Tarzan von 1918, Elmo Lincoln, besteht oder nicht - in einer Hinsicht schafft er sie alle. Als Trick-Figur darf er auch mit den Tieren nach Herzenslust plaudern. Seinen Vorgängern wurden nur knappste Dialoge zugeteilt, meist war das auch besser so. Lex Barker hat sich darüber beschwert, ohne Erfolg: In "Tarzan, der Verteidiger des Dschungels" durfte er noch 137 Sätze sprechen, in "Tarzan bricht die Ketten" nur noch 83. Daraufhin stieg er aus. Gut für Winnetou.In 27 Berliner Kinos; Originalversion im Cinemaxx Potsdamer Platz

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