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Installationsansicht von "Crash Pad", dem Beitrag des griechischen Künstlers und Architekten Andreas Angelidakis für die 8. Berlin-Biennale, 2014, in den Kunst-Werken.

© Uwe Walter

Documenta 14 findet in Kassel und Athen statt: Kunst kommt von Krise

Der neue Documenta-Chef Adam Szymczyk revolutioniert die alte Tante Documenta. Ihre 14. Ausgabe im Jahr 2017 wird nicht nur an ihrem Stammplatz in der nordhessischen Provinz stattfinden, sondern auch in der griechischen Hauptstadt.

Fast unbemerkt von der großen Öffentlichkeit hat der neue Documenta-Chef Adam Szymczyk die Koordinaten der weltweit wichtigsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst verschoben. Im Rahmen eines Symposiums an der Kunsthochschule Kassel unter dem Titel „Von Athen lernen“ verkündete er die Verdoppelung der Documenta 14: Neben dem traditionellen Standort in der nordhessischen Provinz kommt 2017 die griechische Hauptstadt als zweiter Schauplatz hinzu. Dort beginnt sie sogar zwei Monate früher, im April, damit beide Standorte besucht werden können. Die Bombe platzte zunächst nur in den lokalen Medien, Hoteliers und Gastronomen reagierten mit Verärgerung. Erst nach und nach wird die Neuigkeit nun auch außerhalb Kassels registriert.

Mit diesem Schritt ist dem polnischen Kurator, der zuletzt die Kunsthalle Basel leitete und 2008 die 5. Berlin-Biennale organisierte, ein Coup gelungen. Bisher mussten die Documenta-Macher nicht nur die interessantesten Künstler versammeln und neuesten Trends erspüren, sondern immer auch andere Formate entwickeln, neue Orte in der Stadt entdecken, mal mehr, mal weniger debattieren. Dabei zeichnete sich zunehmend eine Exterritorialisierung ab. Die letzte Documenta hatte eine Dependance in Kabul, die elfte so genannte Plattformen als Vorprogramm in Wien, Berlin, Neu-Delhi, auf St. Lucia und in Lagos, die zwölfte besaß in einem katalonischen Edellokal eine Außenstation, wohin täglich ein Documenta-Besucher geflogen wurde.

Szymczyk sucht in Athen nach frischer Inspiration

Mit der kompletten Zweiteilung der Struktur gewinnt die Orientierung nach außen eine neue Dimension. Szymczyk nannte bei seinem Symposium für diese Kraftanstrengung gute Gründe. Mit der Documenta kehrte die Moderne nach dem Krieg nach Deutschland zurück, Kassel dient seitdem als Feld zur Erprobung zeitgenössischer Kunst, zugleich war die Stadt selbst Anschauungsstätte für die Befindlichkeit einer Nation, deren Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, deren Aufgeschlossenheit. Für Szymczyk hat sich dieses Prinzip erschöpft, er sucht nach frischer Inspiration an einem Ort, der für die Krise steht. In Athen könnte die Documenta, die Kunst neue Reibungsfläche gewinnen. Die Rolle des Gastgebers wird zugunsten des Gastes aufgegeben – ein Perspektivwechsel.

Die Idee dazu könnte dem Documenta-Chef bei der letzten Berlin-Biennale gekommen sein, die mit einem deutsch-griechischen Salon in den Kunst-Werken in der Auguststraße begann. Der Grieche Andreas Angelidakis richtete dort unter dem Titel „Crash Pad“ eine Lounge bestehend aus griechischen Teppichen und Radierungen deutscher Archäologen aus dem 19. Jahrhundert ein, um an die alte Verbundenheit beider Länder zu erinnern. Damals lag das junge Griechenland am Boden, spannten die starken europäischen Länder einen Rettungsschirm auf und pilgerten die Humanisten, Forscher und Glücksritter an die Stätten der Antike.

„Von Athen lernen“ knüpft an diese Tradition an, allerdings geht es auch diesmal wieder um Geld. Die Documenta muss es mitbringen, soll etwas am zweiten Standort zu sehen sein. Das Publikum aber wird sich gut überlegen, wie viel es für die Documenta investiert. Auch zwei Mal reisen kostet doppelt.

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