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Adam Szymczyk leitet die Documenta 14.

© dpa

Documenta präsentiert Magazin: Kreuz des Südens

Die Documenta 2017 soll an zwei Schauplätzen stattfinden - in Kassel und Athen. In Berlin stellten die Macher ihr politisches Magazin South as a State of Mind" vor.

„Silent Green“, der Name ist ein Witz an diesem Abend. Vor dem ehemaligen Krematorium in Wedding stauen sich die Menschen, redend und rauchend. Auch wer reserviert hat, muss warten. Aber das Programm im übervollen Saal beginnt ohnehin eine Stunde später als angekündigt.

„Silent Green“ heißt ein neues, privates Kulturquartier, an dem seit 2013 denkmalgerecht geschraubt und gezimmert wird. Ein Ort auf dem Weg der „Transformation“: Unter anderem wird die achteckige Trauerhalle zur Kunstgalerie entwickelt. Bevor hier im kommenden Februar Savvy Contemporary aus Neukölln einziehen wird, fand nun eine Einweihung der Extraklasse statt.

Kunst als Spielplatz

Eingeladen hatte Adam Szymczyk, der Leiter der Documenta 14 in Kassel. Das künstlerische Megaevent startet zwar erst im Juni 2017, doch „embedded discourses“, flankierende Maßnahmen in theoretischer Form, sind seit der Documenta 2002 geradezu selbstverständlich. Auch Szymczyk tourt vorab durchs Land, um eine Ahnung davon zu geben, was einen in eineinhalb Jahren in Kassel erwartet.

Es wird hart, keine Frage. Schon auf dem „diskursiven Spielplatz“, wie Szymczyk den Abend nennt, macht er Ernst mit den großen Themen: Postkolonialismus, Flucht und Vertreibung, Überschuldung, eine „Politik des Vergessens“. All dies kommt vor in der neuen Ausgabe des Documenta-Magazins „South as a State of Mind“ – vier Ausgaben des aktuell 260 Seiten schweren Heftes wird es bis zur Eröffnung der Documenta geben.

Danach darf die Publikation wieder werden, was sie ursprünglich war – ein Kunstmagazin aus der Hand der griechischen Kuratorin und Autorin Marina Fokidis, 2012 in Athen als Reaktion auf die politischen und sozialen Zustände im Land gegründet. Die freundliche Übernahme durch das Documenta-Team ist nicht zuletzt eine Geste des Respekts, die „South“ garantiert internationale Aufmerksamkeit beschert. Allein die Resonanz auf den Abend in Berlin vermittelt eine Ahnung von den Erwartungen, die sich ohnehin mit dem Star-Kurator Szymczyk verbinden: 2008 war er zusammen mit Elena Filipovic für die 5. Berlin-Biennale zuständig, die vielen als visionäre, wenn auch reichlich spröde Ausstellung in Erinnerung ist.

Zweiter Schauplatz Athen

Den Status eines introvertierten Intellektuellen festigt Szymczyk denn auch mit dem Magazin: Neben homöopathisch dosierter Bebilderung enthält es vor allem Texte. Quinn Latimer, verantwortlich für alle Documenta-Publikationen, versteht das Heft als eine „gegenhegemoniale Bibliothek des Widerstands“. Ein Anspruch, den Texte wie „Die Konstruktion der Ruinen des Südens: Eine Anleitung zum Umgang mit Schulden“ von Aristide Antonas sofort untermauern, ebenso Szymczyks Diskussion mit Künstlern wie Maria Eichhorn und Hans Haacke über den Nachlass von Cornelius Gurlitt, den der Documenta-Chef gern in Kassel zeigen würde. Daneben stehen Beiträge wie die der Malerin Miriam Cahn, die die Fluchtgeschichte ihrer Familie rekapituliert und mit heutigen Flüchtlingsschicksalen verknüpft.

Dass die Documenta die Redaktion des Magazins auf Zeit übernimmt, hat übrigens ganz konkrete Gründe. Szymczyk macht Athen zum zweiten Schauplatz der Documenta. Die „Perspektive verdoppeln“ nennt er das – und schlägt mit „South“ schon mal eine Brücke zwischen den Standorten.

Süden als Geisteshaltung

Als Liste der Documenta-Künstler 2017 versteht das Magazin sich allerdings nicht. Nicht jeder, der hier und in den nächsten drei Ausgaben vorkommt, wird automatisch zum Teilnehmer der Schau, so Szymczyk. Dennoch wünscht man sich, dass zumindest ein Teil der Gigs an diesem Berliner Abend Eingang ins Programm finden, wirken die Auftritte von Ahmet Ögüt, Ange Da Costa oder auch Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, der bald mit seiner Galerie ins Krematorium zieht und das Programm als Conférencier einläutete, doch wie Oasen in der „South“-Buchstabenwüste.

„South as a State of Mind“ ist für 10 Euro u.a. in den Buchhandlungen Walther König erhältlich, zu bestellen auf http://www.documenta14.de/de/south/. Dort finden sich auch ausgewählte Texte aus dem Heft in deutscher Übersetzung.

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