zum Hauptinhalt

Kultur: Doktorspielchen

Christian Grashof und Jörg Gudzuhn als „Sonny Boys“ am Deutschen Theater

Nichts ist komischer als das Unglück, hat Samuel Beckett einmal notiert. Das war eine sarkastische, komödiantische Seitenbemerkung: weil wir schon über den Clown im Zirkus nur wegen seines Missgeschicks lachen (der Ausrutscher auf der Bananenschale). Weil die Mutter aller Witze die allzumenschliche Katastrophe ist. Genau hierüber hat der New Yorker Komödiendichter Neil Simon, der acht Jahre ältere Geistesverwandte von Woody Allen, seinen Klassiker „Sonny Boys“ geschrieben.

Allen übrigens hat das im Kino mit Walter Matthau und Jack Lemmon verfilmte Stück einmal fürs amerikanische Fernsehen gespielt, zusammen mit „Columbo“ Peter Falk. Für ältere Komiker, für traurige Clowns, für wahre Melanchomiker ist das bis heute ein Rollenfutter. Vor 33 Jahren wurden die „Sunshine Boys“ (so der Originaltitel) am Broadway uraufgeführt, und jetzt spielen die Matadore Jörg Gudzuhn und Christian Grashof im Deutschen Theater Berlin jene beiden Rentner und Ex-Komödianten, die 33 Jahre lang zusammen ihre Scherze auf amerikanischen Bühnen getrieben und sich dann zerstritten und getrennt haben. Der Komiker Willie Clark ist seitdem eine verkrachte Existenz, sein Partner Al Lewis wechselte ins Immobiliengeschäft. Jetzt sind sie aufgebraucht, bitter und gebrechlich, über ein Jahrzehnt hatten sie keinen Kontakt miteinander. Kalter Krieg und kalter Kaffee.

Da wird die alte Geschichte plötzlich wieder aufgewärmt. Für eine History-Serie über amerikanische Varietékünstler soll das Duo im Fernsehen noch einmal seinen berühmten „Doktor-Sketch“ vorführen. Willie Clarks Neffe Ben, ein wenig erfolgreicher Theateragent, bringt die alten Männer bei einer Art Friedenskonferenz in Clarks versifftem Einzimmer-Apartment zusammen: wie ein altes, geschiedenes Ehepaar zum Rendezvous. Und natürlich enden alle Wiederaufnahmeproben des Doktor-Sketchs in neuerlichem Zerwürfnis, senilem Hickhack, am Ende ist Willie Clark selber ein Fall für den Doktor. Al Lewis, der coolere Alte, sagt ihm: Wir machten doch nur Witze. Du hast unsere Witze immer zu ernst genommen. „Ich glaube, du hast in den 33 Jahren nie wirklich Spaß gehabt.“ Clarks Antwort ist: Hätte ich Spaß haben wollen, „dann hätte ich mir eine Eintrittskarte gekauft!“.

Wer nun zu den beiden ins Deutsche Theater kommt, hat gewiss seinen Spaß. Martin Duncan aus England, der in Deutschland zwischen München und Berlin vor allem als Opernregisseur erfolgreich ist, sorgt für ein technisch perfektes Arrangement. Vom typischen Schiebesprossenfenster im New Yorker Clark-Room (Bühne Jon Morell) über die eingespielten Showmusiken und Projektionen auf dem Vorhang bis zur Sketch-Szenerie im Fernsehstudio stimmt und klappt erst mal alles. Thomas Schmidt als Agent und Neffe Ben ist ein guter Junge und guter Loser, Simone von Zglinicki verkörpert als sexy Krankenschwester im Doktorsketch den prallen Blondinenwitz, und Grashof und Gudzuhn, die Protagonisten, sind am DT sowieso eine Bank. Allerdings wirkt die Bank auch eine Spur zu bequem.

Wem in Berlin noch Bernhard Minetti und Martin Held als Kampf-Partner des Stücks in Erinnerung sind, der hat eine Ahnung, dass hier nicht einfach nur Sonny Boys zu Rainy Boys werden und zwei alte Grantler sich zoffen. Sondern zwei Künstler-Egomanen sich mit der grotesken Pedanterie zweier Ex-Diven bekriegen. Hier im DT ist das nur noch ein kleines Gefecht, in dem Jörg Gudzuhns Al Lewis als hüftschwacher Hüne im dunkelblauen Anzug mit Silberknaufstöckchen in seiner stoischen Mischung aus Blasiertheit und Betüteltheit brilliert. Freilich zeigt dieser Pensionär vor allem den Bürger im Künstler, weniger den Künstler (Komiker, Schmieranten, Abgründler) im Bürger.

Als noch dement dominanter Willie Clark hatte zuletzt Gert Voss im Wiener Burgtheater den Alptraum des Alterns, den Größenwahnsinn des vergessenen Artisten gespielt – eine tragische Existenzkomödie. Christian Grashof aber setzt keine Existenz aufs Spiel. Sondern stellt nur die Mittel aus. Ob naserümpfend, augenrollend, schnuteziehend: Er führt, kühl und etwas grob, den Virtuosen vor, keinen Menschen, keine verletzte Künstlerseele. Man hält sich wohl für schlauer als der Boulevard, da jedoch schlägt er zurück, und das flache Amüsement bleibt harmloser als alle Untiefen des Stücks.

Wieder am 2., 9., 18. und 25. Dezember

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false