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Doku "Good Food, Bad Food": Unser kläglich Brot

Pamphlet für die gute Sache: Coline Serreaus Dokumentarfilm „Good Food, Bad Food“ ist zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht.

Die Filmemacherin Coline Serreau gilt nicht erst seit „Drei Männer und ein Baby“ als Komödienregisseurin von Weltrang. Bekannt ist sie allerdings ebenso für ihre andere, kämpferische Seite – als hartgesottene Feministin bis zum heutigen Tag, als Regisseurin von Kurzfilmen für Amnesty International, für das Verbot von Landminen und gegen Gewalt in der Ehe. Alle diese engagierten Arbeiten zeichnet ein von plakativem Alarmismus geprägter Kampagnen-Charakter aus, gegen die Stéphane Hessels derzeit in Frankreich so erfolgreicher Aufruf in Buchform, „Empört euch!“ sich wie eine mahnende Einrede ausnimmt.

Serreaus Dokumentarfilm „Good Food, Bad Food – Anleitung für eine bessere Landwirtschaft“ verspricht zunächst, einen differenzierten Ton anzuschlagen – ermöglicht durch die Begegnung mit faszinierenden Protagonisten, die vielfältige und nachhaltige Lösungen für die intelligentere Nutzung der Ressourcen unseres Planeten finden. Dabei werden die kranken Strukturen der global industrialisierten Landwirtschaft und mögliche Alternativen in Interviews mit Bauern,Öko-Pionieren, Wirtschaftsphilosophen, Umwelt- und Ernährungswissenschaftlern sowie Agraringenieuren erörtert. Wobei die Reise quer über den Erdball geht – von Frankreich über die Ukraine nach Indien, von der Schweiz über Marokko bis nach Brasilien.

Die aktuellen Nachrichten um den Dioxinskandal spielen so unvorhergesehen wie lautstark die Begleitmusik zu „Good Food, Bad Food“. Aufmerksam will der Zuschauer Recherchen über das schurkige Geschäftsgebaren von Unternehmern verfolgen, die für die Verseuchung von Futtermitteln verantwortlich sind. Und handfeste Kenntnisse über die strukturellen Zusammenhänge und Auswege aus einer Ökonomie erlangen, in der sich global agierende Saatgut-, Fungizid- und Pestizidhersteller zu Herren des Universums aufschwingen und dabei grundlegende Muster menschlichen Zusammenlebens zerstören. Mit anderen Worten: Mehr Aufgeschlossenheit für das Thema war wohl nie.

Leider demontiert Coline Serreau gerade durch ihren sonst durchaus hilfreichen Furor dieses Interesse. Ihren Diskurs trägt sie mit Schwindel erregender Beliebigkeit vor, als erlaube schon der gute Zweck, sich keinerlei Gedanken über dessen Vermittlung machen zu müssen. Das Engagement für das Thema und die Beiträge der klugen Protagonisten werden unter formlos ungefügten Sentenzen verschüttet. Nahezu völlig fehlt es „Good Food, Bad Food“ zudem an gestalterischer Intelligenz oder Sensibilität in Bild, Ton und Montage. Statt gedankliche Bögen oder Blöcke zu entwickeln, die die komplizierte Materie für den Zuschauer strukturieren könnten, fügt Serreau Einstellung auf Einstellung wie unmotivierte Zwischenschnitte aneinander.

Auch die Begegnungen wirken durchweg hastig, die Interviews bloß abgespult. Wo Neugier oder Geduld am Platz gewesen wären, regieren Unruhe und Nervosität – und letztlich große Respektlosigkeit gegenüber den Protagonisten und den Zuschauern. Ständig verzieht Coline Serreau die Kamera nach rechts oder links – ohne Anlass, ohne Sinn. Und die Interviews, die nie eine Länge von 120 Sekunden überschreiten, werden bis zu neunmal mit Schnitten unterbrochen. Bald glaubt man sich in „Good Food, Bad Food“ nicht mehr vor einer Leinwand, sondern auf einer Rodeo-Tribüne.

So geht die gute Absicht, der ausschließlich auf Profit gründenden, hemmungslosen Boden-Zernutzung durch die internationalen Konzerne lokale landwirtschaftliche Alternativen gegenüberzustellen, in einer Kanonade ungegliederter Überinformation zugrunde. Wie sagte Jean-Luc Godard? „Einen Menschen zu töten, um eine Idee zu verteidigen, bedeutet nicht, eine Idee zu verteidigen, sondern einen Menschen zu töten.“ Auf „Good Food, Bad Food“ angewendet, bedeutet das: Ein schlechter Film bleibt ein schlechter Film, auch wenn er einer guten Sache dienen will.

Ab Donnerstag in den Kinos Broadway, Filmtheater am Friedrichshain, Kulturbrauerei und Rollberg; OmU in den Hackeschen Höfen

Ralph Eue

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