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Doku: Leben heißt kämpfen

SPECIAL: Der Dokumentarfilm „Sing Your Song“ zeigt den Sänger, Schauspieler, Politaktivisten und Berlinale-Ehrengast Harry Belafonte in steter Bewegung.

Von seinem Leben spricht Harry Belafonte als „journey“, Reise. Er wird bald 84, aber seine Reise sei noch lange nicht zu Ende. Der Dokumentarfilm „Sing Your Song“ zeigt den Sänger, Schauspieler, Politaktivisten und Berlinale-Ehrengast in steter Bewegung. Er setzt sich mit seinem Freund Martin Luther King an die Spitze des historischen „Marsches nach Washington“, um die Rechte der Schwarzen einzufordern, fliegt, von weißen Rassisten mit dem Tod bedroht, als Geldkurier nach Mississippi, wo drei Bürgerrechtsaktivisten ermordet worden waren, und kreist im Hubschrauber über den Hungergebieten von Eritrea, um Lebensmittel abzuwerfen. Am Ende fährt er mit einem ehemaligen Gang-Mitglied durch Los Angeles und beklagt das Wegsperren einer halben Generation junger Schwarzer in den Gefängnissen der USA als „neue Sklaverei“.

Der Film beginnt mit einem Bilder-Stakkato von Kriegen in aller Welt und brennenden amerikanischen inner cities, unterlegt mit Belafontes zornig herausgebellten Worten: „Es gibt eine Menge Menschen, die sich angepisst fühlen. Wir suchen überall nach Trost, aber können ihn nicht finden.“ Weltberühmt wurde er mit seiner weichen Stimme und fröhlich schunkelnden Calypso-Songs, doch über die Jahre ist die Wut in ihm immer weiter gewachsen. Leben heißt kämpfen, das hat Belafonte von seiner Mutter gelernt, die aus Jamaika nach New York gekommen war und sich und ihre drei Söhne bald allein durchbringen musste. „Es gibt nichts auf der Welt, was du nicht erreichen könntest“, hat sie gesagt. Für einen im Harlem der Vorkriegszeit aufwachsenden jungen Schwarzen war das eine tollkühne Prophezeiung.

Seine Karriere hatte keinen Plan, alles, erzählt Belafonte, habe sich zufällig ergeben. Als er Karten für das „American Negro Theater“ geschenkt bekommt, entdeckt er, dass Theater ein „Ort der sozialen Wahrheit“ sein kann und ist entflammt. Er besucht Workshops bei dem deutschen Emigranten Erwin Piscator, wo Marlon Brando und Tony Curtis zu seinen Mitschülern gehören, schafft seinen Durchbruch in einer Revue und wird als „Broadways Golden Boy“ gefeiert. Als Jazzsänger hat er Erfolg, doch Belafonte möchte – „Sing your Song“ – als eigenständige Stimme wahrgenommen werden. Er versenkt sich in die Geschichte schwarzer Folkmusik und besinnt sich schließlich auf die work songs der Karibik, die unter ihrer exotisch funkelnden Oberfläche von der Ausbeutung jamaikanischer Obstpflücker handeln. Derlei Sozialrealismus ist weißen Durchschnittsamerikanern nur dosiert zumutbar. Der Film zeigt Fernsehausschnitte, in denen Belafonte mit putzigem Strohhut ein Eselchen über die Bühne zieht. Seine Platte „Calypso“ wird zum ersten Album, von dem sich mehr als eine Million Exemplare verkaufen.

Sein politisches Bewusstsein wird im Zweiten Weltkrieg geweckt, wo er als Marinekanonier gegen Hitler kämpft, aber in ein Land zurückkehrt, in dem er als Schwarzer ein Bürger zweiter Klasse bleibt. Rassismus bekommt er immer wieder zu spüren, bei Tourneen durch die Südstaaten, wo Polizisten ihn als „Nigger“ beschimpfen, oder in Las Vegas, wo alle Weißen den Swimmingpool verlassen, in den er gerade gesprungen ist. Atemlos und etwas zu hagiografisch folgt die Dokumentation der Amerikanerin Susanne Rostock diesem abenteuerlichen Leben. Die Schattenseiten werden nur angedeutet, etwa wenn Sohn Harry Jr. die Abwesenheit des Vaters beklagt: „Er hatte zwei Familien – uns und die Menschheit.“ Belafonte erzählt von den vielen battles, Schlachten, seiner Biografie. Als Missionar des Guten ist er bis heute bereit, sich in jeden Kampf zu stürzen. Christian Schröder

Heute 21.30 Uhr; 14.2., 9.30 Uhr und 15 Uhr (alle Friedrichstadtpalast)

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