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Alles nur gespielt. Eines der berühmtesten Fotos von Robert Doisneau, "Le Baiser de l'Hôtel de Ville Paris", 1950.

© Film Kino Text

Doku über den Fotografen Robert Doisneau: In den Straßen von Paris

Er fotografierte die „kleinen Leute“. Der Dokumentarfilm „Robert Doisneau – Das Auge von Paris“ über Leben und Werk des französischen Fotografen.

Film bedeutet nicht unbedingt Bewegung, wohl aber das Verstreichen von Zeit. Fotografie hingegen bedeutet Zeitlosigkeit. Ein Film über Fotografie ist also schwierig; ein Film über einen Fotografen hat zumindest den Vorteil, das Leben seines Protagonisten schildern zu können.

Genauso vorhersehbar verhält es sich mit Clémentine Deroudilles Dokumentarfilm „Robert Doisneau – Das Auge von Paris“. Doisneau (1912–1994) hat 450 000 Negative hinterlassen, reichlich Material also für einen Film. Mit dieser Möglichkeit der ins Unermessliche zu steigernden Bebilderung aber verstellt sich die Regisseurin und Enkelin des Fotografen ihre Möglichkeiten. Vielleicht liegt es auch nur am unterschiedlichen Vorwissen des potenziellen Publikums. Doisneau ist in Frankreich überaus bekannt, seine Motive sind im kollektiven Gedächtnis gespeichert. Dort müsste jede bloße Aneinanderreihung seiner populärsten Aufnahmen genügen, um die Zuschauer in Verzückung zu versetzen.

Um seine melancholischen Bilder liegt ein Hoffnungsschimmer

Für die weniger Eingeweihten stehen die beiden Töchter des Fotografen, rüstige ältere Damen, bereit, vor der Kamera die Geschichte des Vaters zu erzählen und das Hohelied seines nimmermüden Arbeitseifers zu singen. Doch Doisneaus Berufsweg verlief nicht ganz so glatt, wie der 77-minütige Film glauben macht, der Doisneau auf seine Rolle als Hauptvertreter der photographie humaniste festlegt, der menschenfreundlichen Fotografie. Denn er streifte nicht immer nur mit der Kamera durch die hässlichen Vorstädte von Paris, wo er aufgewachsen war und zeitlebens wohnte, um Menschen mit dem Herzen auf dem rechten Fleck zu entdecken. Gerne im Bistro, dieser sozialen Wärmestube. In den dreißiger Jahren war er Werksfotograf bei Renault, in der Zeit der Volksfront mit ihren Streiks und langersehnten sozialen Errungenschaften. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Modefotograf, der sich nicht scheute, seine Mannequins unter eine Autobahnbrücke am Stadtrand zu stellen. Und er inszenierte in zahllosen Reportagen für die großen Magazine Paris und das Leben der „kleinen Leute“. Noch um die größte Melancholie in seinen Bildern liegt immer ein Hoffnungsschimmer.

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Im ersten Filmdrittel wird das Geheimnis des weltberühmten „Kuss“-Fotos gelüftet, das längst kein Geheimnis mehr ist: Die Liebenden, im Hintergrund das Rathaus von Paris, waren junge Schauspiel-Eleven, mit denen Doisneau eine ganze Serie ähnlicher Wir-küssen-uns-auf-der-Straße-Bilder inszenierte, für die Illustrierte „Life“. So stellte man sich in Amerika das Paris der Nachkriegszeit vor, und so wollten Paris und seine Bewohner auch gesehen werden. Es menschelt bisweilen arg auf Doisneaus Bildern.

Später versuchte sich Doisneau an Farbfotografie

Hier hätte ein Dokumentarfilm ansetzen können, der den Bildern auf den Grund gehen und die Spuren aufdecken wollte, die von Doisneaus Motiven geblieben sind. Er hat es später selbst versucht, als er von Schwarz-Weiß zur Farbe überging und anstelle des heimeligen, ramponierten alten Paris das neue Paris der Sozialwohnungshochhäuser und sterilen Spielplätze fand. Sogar den Pariser Mai ’68 hat er in Farbe fotografiert; doch es war seine Sache nicht, wie für die meisten großen Fotografen der Nachkriegszeit.

All das tut ja seiner Fotokunst keinen Abbruch. Doisneau, der Menschenfreund, hat wunderschöne Bilder hinterlassen, mögen sie nun gesellschaftliche Wirklichkeit zeigen oder eher verschleiern. Man braucht nur in das 670-Seiten-Buch „Doisneau Paris“ im handlichen Ziegelsteinformat zu schauen: Mehr kann dieser Dokumentarfilm auch nicht bieten.

OmU: Babylon, Brotfabrik, BundesplatzKino, Cinema Paris, Tilsiter-Lichtspiele

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