zum Hauptinhalt
Filmszene aus "Der Papst ist kein Jeansboy"

© w-film/Guerilla Film Koop.Berlin/dpa

Doku über Hermes Phettberg: "Der Papst ist kein Jeansboy": Jetzt bloß richtig auffallen!

Ein Provokateur im Sinkflug: Schon 2012 wurde "Der Papst ist kein Jeansboy" gedreht. Jetzt kommt die Doku über den österreichischen Medienstar Hermes Phettberg doch noch ins Kino.

Medienstar, Trash-Gott, Fleischberg, der Irre unter den Talkmastern, der Schwule unter den Fresssüchtigen, der Masochist aus der Schule Wiener Schweinigel – das war Hermes Phettberg in den Neunzigern. Da machte die im Fernsehen ausgestrahlte „Nette Leit Show“ den Autor, Schauspieler, Exhibitionisten im deutschsprachigen Raum zur Kultfigur der linksintellektuellen Ironikerfraktion.

Wohlig fasziniert und auch angegruselt sahen die Leute dem witzigen Provo zu, wenn sich bei ihm – stets begrüßt mit der Frage „Frucade oder Eierlikör?“ – die Kulturschickeria die Klinke in die Hand gab. Auch die SM-Happenings des Vereinsgründers der „Sadomasochismusinitiative Wien“, bei denen er sich nackig an Ketten baumelnd von knapphosigen „Jeansboys“ züchtigen ließ, waren bestens besucht.

Phettberg war der letzte Schrei – und so langsam wird er wieder dazu. Soeben haben zwei Filme in Anwesenheit des selbsternannten „Publizisten und Elenden in Wien“ in Berlin Premiere gefeiert: das No-Budget-Drama „A Perception“ von Daniel Pfander und die bereits 2012 mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnete Doku „Der Papst ist kein Jeansboy“, nun endlich im Kino.

Kolumnist mit steifen Fingern

Sobo Swobodniks Phettberg-Doku besticht durch eine klare ästhetische Komposition: schönes Schwarz-Weiß, ebenso intime wie diskrete Einstellungen, rätselhafte Zwischentitel aus Toilettensprüchen, dazu Josef Hader, der sehr zurückgenommen Phettberg-Texte liest. Und dann der Held! Ein freier Radikaler, Freak und Mensch, abscheulich und liebenswert. Ein „Scheiterhaufen“: So nennt sich der 1952 als Josef Fenz geborene Weinbauernsohn und einstige Pastoralassistent der Erzdiözese Wien heute.

Nach drei Schlaganfällen, einem Herzinfarkt und dem Verlust von 100 Kilo hat Phettberg sich in einen zerbrechlichen Homunkulus und Österreichs bekanntesten Sozialhilfeempfänger verwandelt – im Totalabsturz alimentiert von kunstsinnigen Philanthropen wie dem unlängst verstorbenen Freund Harry Rowohlt. Mit steifen Fingern, sprachbehindert und vereinsamt, schreibt er immer noch wöchentlich die Kolumne „Phettbergs Predigtdienst“ im Wiener „Falter“.

Und warum? Weil er wahrgenommen werden will. Ein notorischer Exhibitionist, der vom Voyeurismus der Zuschauer lebt und keineswegs bloß deshalb der Frechheit entsagen mag, weil das Essen nun auf Rädern kommt und er kaum mehr gehen kann. Die Lebenskraft eines Elenden spürbar zu machen, das ist Phettbergs Passion. Und ein paar Freunde singen im Film ihr dissonantes Lied davon.

"Der Papst ist kein Jeansboy" im Babylon Kino Mitte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false