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Nichts bereuen. Brunhilde Pomsel war 103, als sie vor der Kamera saß.

© Salzgeber

Dokumentarfilm "Ein deutsches Leben": „Wir lebten alle in einem riesigen KZ“

Als Sekretärin von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels hat sie in der Zentrale des Bösen gearbeitet. Von Verbrechen will Brunhilde Pomsel aber nichts gewusst haben.

Zu den mildesten Formen der Selbstkritik zählt die rhetorische Frage. „Ist es denn schlecht, ist es denn Egoismus, wenn der Mensch versucht, auf dem Platz, auf den er gestellt wurde, etwas zu tun, was für ihn gut ist?“, fragt die alte Dame. Die Antwort, die sie hören möchte, lautet: Nein. Aber es kommt keine Antwort, es gibt im Dokumentarfilm „Ein deutsches Leben“ überhaupt keine Off-Stimme, nur die Anekdoten, Erinnerungen und Rechtfertigungen von Brunhilde Pomsel, die 103 Jahre alt war, als sie vor der Kamera saß.

In der Zentrale des Bösen

Pomsel, die Anfang des Jahres mit 106 Jahren gestorben ist, hat sozusagen in der Zentrale des Bösen gearbeitet, sie war eine der Sekretärinnen von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, folgte ihm bei Kriegsende in den Luftschutzbunker des Ministeriums, durchlitt fünf Jahre in sowjetischen Lagern und setzte ihre Karriere bei der ARD fort. Ein deutsches Leben, gewiss, aber längst nicht so schuldbeladen wie das des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß, den Götz George im Spielfilm „Aus einem deutschen Leben“ verkörpert hat. Aus Pomsels so außergewöhnlichem wie durchschnittlichen Leben sind jetzt ein Buch (mit Thore D. Hansen, Europaverlag) und dieser Film hervorgegangen, der gleich vier Regisseure hat, Christian Krönes, Olaf S. Müller, Roland Schrotthofer und Florian Weigensamer.

Befreundet mit Juden

Als Hitler an die Macht kam, arbeitete Pomsel bei dem jüdischen Rechtsanwalt Hugo Goldberg. Sie hatte eine jüdische Freundin, Eva Löwenthal. Dann lernte sie einen NS-Propagandamann kennen, der sagte: „Na, Ihr jüdischer Chef, der macht es nicht mehr lange“ und ihr einen Rundfunk-Job anbot. Ihrer Freundin Eva teilte sie später mit: „Komm mich nicht mehr besuchen, ich arbeite jetzt im Ministerium.“ Irgendwann war Eva „verschwunden“. Pomsel betont ihr „preußisches Pflichtbewusstsein“, sagt: „Ich war damals sehr äußerlich, dumm“ und: „Wir lebten alle in einem riesigen KZ“. Anders als Hitlers ehemalige Sekretärin Traudl Junge im Dokumentarfilm „Im toten Winkel“ hadert Pomsel nicht mit ihrem Leben. Sie konnte nicht anders, alles musste so kommen.

Goebbels trug "dolle Anzüge"

Von Goebbels schwärmte Pomsel bis zuletzt. „Ein gut aussehender Mann, ungemein gepflegt, dolle Anzüge, immer leicht gebräunt. Weil er humpelte, tat er einem ein bisschen leid.“ Er besaß allerdings zwei Gesichter. „Im Büro vornehm, fast edel. Und dann der tobende Zwerg auf der Bühne. Diese Verwandlung hätte kein Schauspieler besser geschafft.“ Pomsel war linientreu, sie war wohl das, was Erich Fromm einen „autoritären Charakter“ nannte. Als die Verhörakte der Geschwister Scholl auf ihrem Schreibtisch lag, hat sie nicht hineingeschaut. Es war verboten.

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