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Verteidiger der natürlichen Ordnung. "Grenzbock" porträtiert Jäger im Brandenburgischen.

© Farbfilm

Dokumentarfilm "Grenzbock": Wolfs Revier

Wie deutsche Jäger ticken: die Doku „Grenzbock“ von Hendrik Löbbert findet treffende Metaphern für die ganze Gesellschaft.

Staatliche Grenzen sind ein höchst akutes Thema. Aber auch mitten im deutschen Wald verlaufen unsichtbare Grenzlinien – nicht nur wegen der Beute- und Brutreviere einzelner Tierarten. Sondern auch wegen des deutschen Jagdrechts, das den Wald fein säuberlich in Jagdbezirke ordnet und dann an sogenannte Jagdausübungsberechtigte und Hegegemeinschaften verteilt. Diese Besitzverhältnisse entscheiden darüber, wer wo auf das freie Wild schießen darf. So machen ein paar Zentimeter aus einem edlen Jäger einen Wilderer und aus einem Platzhirsch eben einen Grenzbock.

Einige gesetzestreue Jäger begleitet der junge Filmemacher Hendrik Löbbert in seinem Dokumentarfilm. Dazu geht er ins südliche Brandenburg, wo zwei Hegegemeinschaften das Gelände um einen einstigen Truppenübungsplatz bejagen, das demnächst zum Naturschutzgebiet werden soll. Doch noch locken Wildschweine, Rot- und Damwild. Und die eher betagten Herren, die hier dem Waidmannswerk nachgehen, sehen sich als Verteidiger der natürlichen Ordnung. Die Umsetzung geschieht mit dem nötigen tierischen Ernst – von der Verlesung des Abschussplans bis zur bürokratischen Endabwicklung: Auch für erlegte Wildschweine gibt es ein Formular!

Der Wald gilt als deutscher Mythos, in Volkslied, Märchen und im Kino hundertfach besungen. Löbberts Film setzt hier an und lässt die Kamera (Hajo Schomerus) nach einer Fahrt über grüne Baumwipfel zum Jagdhornblasen im Unterholz landen, bevor ein traditionell gekleideter Jägersmann mit Hut und Stock den Weg betritt. Bei der Jagd später wird derlei Traditionsgrün allerdings längst durch das vom Gesetz geforderte Warn-Orange überstrahlt. Und auch der Film selbst bewegt sich vom Grün zu einer Mitgliederversammlung im Plattenbau, wo neben der auferlegten Neuordnung der Reviere dringlich die Bedeutung des Jägerstandes für den ordnungsgemäßen Zustand der Natur beschworen wird.

Aus dem aufgeladenen Pro und Contra zum Jagdwesen hält Löbbert sich weitgehend heraus, der knappe Kommentar zielt auf Verdichtung von Zusammenhängen. Signifikanter sind die Tiere selbst, die zumeist als ausgeweidete Kadaver oder Trophäen ins Bild kommen. „Grenzbock“ zielt auf die ganze Gesellschaft, deren aktuelle Ausgrenzungen und Höchstgrenzendebatten – etwa in der Schmährede der Jäger vom bösen fremden Wolf – im Film erstaunlich treffende Metaphern finden.

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