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Dokumentation: Der Mut der müden Frauen

Hans-Christian Schmids ergreifende Doku über polnische Wäscherinnen. Der Ort, an dem Menschen sich für Billigstlöhne abrackern, liegt, gerade mal zwei Autostunden östlich von Berlin.

Man wird kleinlaut bei diesem Film. Weil er all die Klagen über die Krise, die Milliardenkredite oder die Pendlerpauschale Lügen straft. Weil der Ort, an dem Menschen sich für Billigstlöhne abrackern, um ein halbwegs anständiges Familienleben zu finanzieren oder die Ausbildung der Kinder, nicht auf einem fernen Kontinent liegt, sondern gerade mal zwei Autostunden östlich von Berlin. In der polnischen Kleinstadt Gryfino und im Dorf Widuchowa, nahe bei Schwedt.

Hier in Berlin, im Fünfsternehotel, tanzt der Staub zur Klaviermusik von Ravel in der Sonne, wenn das Zimmermädchen die Betten abzieht. Dort in Gryfino, in der deutschen Wäscherei Fliegel, stehen Beata und Monika an den Maschinen. Zwei von 400 polnischen Arbeiterinnen, die Berlins schmutzige Wäsche waschen, vor allem die der Luxushotels. 50 Tonnen werden Tag für Tag in Lkws hin- und hergekarrt, 1300 bis 1500 Tonnen im Monat. Das heißt Schichtdienst rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.

Hans-Christian Schmid, der als Dokumentarist ausgebildet wurde und bisher vor allem Spielfilme drehte („Nach Fünf im Urwald“, „Requiem“, „Sturm“), geht es in seiner Dokumentation „Die wundersame Welt der Waschkraft“ nicht ums vordergründig Sozialkritische, um Globalisierung oder Arbeitsmigration. All das scheint nebenbei auf, etwa wenn der Chef von Fliegel von günstigen Ressourcen spricht und nicht nur den Dampf des benachbarten Kraftwerks als Energiequelle für die Wäscherei meint, sondern vor allem die billigen Arbeitskräfte. Schmid würdigt mit seinem auf der Berlinale uraufgeführten Film vielmehr die Tapferkeit von Monika, Beata und ihren Familien. Den Mut, den diese Frauen brauchen, um bei all der Schufterei die Lebenslust nicht zu verlieren.

Nach der Arbeit fährt Beata mit dem Bus nach Widuchowa, sie hat drei Kinder. Die Wohnung ist zu klein, ein einziges vollgestopftes Chaos. Beatas Lebensgefährte, ihr freundlicher Nachbar Andrzej, arbeitet im Kraftwerk; die beiden würden gern zusammenziehen. Aber das geht erst, wenn Andrzej die Räumungsklage gegen seine Ex-Frau gewinnt.

Wie lebt man, wenn das Geld nicht reicht? Zu Weihnachten wird beim Bauern ein Schwein geschlachtet, auch das eine Plackerei. Aber so ein Schwein ist besser als die faden Euro-Tomaten. Andrzej renoviert die Zimmer, die Wohnung ist eine Baustelle, Müll und Matsch vor der Tür. Die Kinder spielen Fußball und drücken den Ball in die Regentonne, auf der eine hauchdünne Eisschicht liegt. Ein bleierner Winterhimmel hängt über Widuchowa.

Schmids polnischer Kameramann Bogumil Godfrejów trotzt der Mühsal Momente der Schönheit ab, er zeigt den kleinen Grenzverkehr, die Welt der Dinge, die das Leben dort prägen. Aber er beschönigt nichts, nicht den eisigen Atem der frierenden Messdiener beim Gottesdienst, nicht die blassen, mageren Kinder, nicht den ergreifenden Abschied von Beatas Mutter, die vom Busbahnhof aus nach England aufbricht, um in einer Gärtnerei ein bisschen dazuzuverdienen.

Godfrejów und Schmid zeigen neben den Wäschereimaschinen zum Sortieren, Reinigen, Falten und Plätten die Mechanik der immergleichen Handgriffe und des erschöpfenden Alltags. Es ist die Sisyphus-Mechanik des Kampfs gegen die Armut. Wenn Beata von der Nachtschicht heimkehrt, kann sie gerade noch die Brötchen auf den Tisch legen. Und wenn Tochter Klaudia in aller Herrgottsfrühe ihre noch jüngeren Brüder weckt, kippt der Kleinste, der kränkliche, fröhliche Jakub, vor lauter Müdigkeit einfach wieder um. In der Vorschule legt er den Kopf auf die Bank.

Unglaublich, dass niemand klagt oder anklagt, dass niemand wehleidig ist. Lieber versammelt sich die Familie um Omas Wohnzimmertisch, man kocht und isst, dreht Filterzigaretten, tauscht die Neuigkeiten aus, hat Spaß. Die hohe Kunst, nicht zu verstummen, nicht zu resignieren, diese Leute beherrschen sie. Monika, die zweite Protagonistin des Films, beklagt sich höchstens bei sich selbst. Sie wäre zu gern Ärztin geworden, hat es aber versäumt, eine richtige Ausbildung zu machen. Jetzt sorgt sie sich um die arbeitslose Tochter Marta, die Kette raucht, über einen Kosmetiksalon nachdenkt und doch nur den nächstbesten Job annimmt. In die Mitleidsfalle tappt der Film nicht eine Sekunde, weil er bei aller Empathie nüchtern die Realitäten konstatiert.

Der in Berlin lebende 43-jährige Regisseur kann kein Polnisch, die Fragen stellten die Produktionsleiterin und der Kameramann. Nicht nur wegen der zeitraubenden Übersetzerei sieht man kaum Talking Heads. Dass die Stimmen von Beata, Monika oder Monikas Ehemann Janusz, der vom Wegzug der jungen Leute aus der Region berichtet, aus dem Off kommen, sorgt für eine erhellende Nah-Fern-Wirkung, die Ästhetik des cinéma direct. Arbeit zeigen ist das eine. Über Arbeit reden etwas anderes. Die Abkoppelung von Ton und Bild schafft einen Freiraum fürs Imaginäre. Für die Fantasie, die Beata sich leistet, wenn sie nachts beim Bügeln so vor sich hinträumt. Ein kleines Haus für die Familie, das wäre das Glück.

In Berlin im fsk am Oranienplatz, Hackesche Höfe, Neue Kant Kinos

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