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Dokumentation: Literaturbetrieb wird entlarvt

Ein Schelm ist, wer glaubt, dass Romane noch von literarischen Genies allein im stillen Kämmerlein geschrieben werden. Heute legt ein Autor dem Verlag ein Konzeptpapier vor, ehe es ans Schreiben geht.

Berlin - Wie das genau abläuft und wie das Manuskript schließlich zum Leser kommt, das beschreibt Jörg Adolph am Beispiel des jüngsten Romans von John von Düffel detailliert und kenntnisreich in dem Dokumentarfilm "Houwelandt - Ein Roman entsteht".

Mehr als 17 Monate lang beobachtete der Dokumentarfilmer Adolph den Schriftsteller von Düffel, der mit seinem Debütroman "Vom Wasser" vor acht Jahren einen Überraschungserfolg landete. Die beiden fast gleichaltrigen Männer sind passionierte Schwimmer und Jogger und trafen sich bei Dreharbeiten in Dover zu Adolphs Doku-Porträt "Kanalschwimmer". Düffel reagierte auf die Idee, ihn beim Schreiben seines nächsten Werks zu begleiten zunächst skeptisch, ließ sich dann aber doch überreden.

Dem Autor bleibt überlassen, wieweit er sich öffnet

Zum Glück, kann man heute sagen, verdanken wir dem Duo doch "die erste Literaturbetriebsverfilmung überhaupt", wie die Wochenzeitung "Die Zeit" schrieb. Natürlich sperrt sich der kreative Prozess der Story-Entwicklung und des Formulierens gegen die Mechanismen des Bewegtbildmediums Film - eine Hürde, die auch in Adolphs Film nicht zu übersehen ist. Den wichtigsten Ausgleich schafft ein Kunstgriff, der es dem Autor selbst überlässt, wieweit er sich öffnet und Einblick in seine Arbeitsweise gewährt.

Adolph stellte Düffel eine kleine Videokamera zur Verfügung, die dieser wie ein digitales Tagebuch nutzte und so Höhen und Tiefen des Schaffensprozesses auch dann offenbaren konnte, wenn Adolph mal nicht zugegen war. Für kulturbeflissene Zuschauer noch aufschlussreicher ist jedoch die Beschreibung dessen, was unter dem Begriff des Literaturbetriebes subsumiert werden kann: das Konzipieren, Produzieren, Vermarkten und Verkaufen eines Buches.

Düffel wehrt sich gegen Etikett des "Wasser-Dichters"

Man wird Zeuge, wie sich Düffel gegen das Etikett des "Wasser-Dichters" wehrt und erste Entwürfe des Buchcovers ablehnt, sich dann aber doch kompromissbereit zeigt, bis auf Drängen des Verlags eine Strandszene auf dem Umschlag landet. Adolphs Kamera ist bei den Sitzungen mit dem Lektor dabei, bei der Besprechung mit der Korrektorin, bei Diskussionsrunden zur Verkaufsstrategie, Händlerpräsentation, Lesereise und Vorstellung des Buches in New York.

Und wer noch nicht wusste, wie groß der Einfluss der TV-Literatursendung von Elke Heidenreich ist, bekommt es in diesem Making-of vorgeführt. Eine Empfehlung der Heidenreich genügt, und der Roman schießt in die Bestsellerlisten und der Verleger reibt sich die Hände. Die Beobachtungen im Verwertungsprozess sind teils so entlarvend, dass man sich wundert, dass der Dumont Literatur und Kunst Verlag dem Projekt zugestimmt hat.

Düffel: Literaturbetrieb hängt zum Hals raus

Wie sagt Düffel doch am Schluss so schön: "Ich bin erst sechs Jahre im Literaturbetrieb, und er hängt mir schon zum Hals raus." ("Houwelandt - Ein Roman entsteht", Deutschland 2005, Dokumentarfilm, 107 Minuten, Regie: Jörg Adolph, Mitwirkende: John von Düffel, Gottfried Honnefelder, Christian Döring u. a. Kinostart: 14. September 2006). (Von Reinhard Kleber, ddp)

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