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Kultur: Dolce statt Duce

Das italienische Kulturfest endet mit einer Theater-Reise zu Fellini

So einen lässigen Wiedergänger Marcello Mastroiannis sah man in Berlin seit Henry Hübchens furios schmierigen Auftritt in Castorfs „Stadt der Frauen“ nicht mehr. Aber diesmal ist es der junge Mastroianni, der sich mit seiner riesigen Sonnenrille sehr cool an einem weißen Cabrio räkelt. Ab und zu dreht er sich etwas gelangweilt zu der aufgetakelten Braut, die ihn endlos und ohne erkennbaren Effekt beschimpft. Jeder Moment gehört dem Genuss, und sei es der Genuss der eigenen Eitelkeit. Mehr passiert eigentlich nicht in dieser kleinen Szene – und trotzdem ist für einen Moment das ganze überdrehte, glamourös nervöse Lebensgefühl aus Fellinis Film „La Dolce Vita“ da. Nur dass die Szene nicht in Rom, sondern in einer Tiefgarage in der Nähe des Alexanderplatzes spielt. Dort, in leerstehenden Lofts der Backfabrik, in Durchgängen, Kellern und auf dem Dach hoch über Berlin nimmt das Teatro Potlach die Zuschauer mit auf einer Reise zu Fellini: „In viaggio con Frederico“ (Regie: Pino di Budou). Ein gutes Dutzend kleiner, leicht dahingezauberter Szenen, die sich mit Erinnerungen an Szenen aus Fellinis Filmen verknüpfen. Die Aufführung des römischen Teatro Potlach, in einer Woche entstanden, hat dem Charme des Improvisierten, ein Theater der naiven Poesie, das lieber träumen will als sich und dem Publikum etwas zu beweisen.

In einem der Räume begegnet man einem feisten Römer, den es aus Fellinis „Satyricon“ nach Berlin verschlagen hat. Der verlebte Lebemann räkelt sich, euphorische Reden vor sich brabbelnd, auf den Teppichen, während füllige Bauchtänzerinnen ihre derben Reize offerieren. Ginger und Fred, leicht angeschickert und etwas müde, wagen, in seligen Erinnerungen schwelgend, noch einen letzten Tanz, bevor sie wieder glücklich erschöpft in sich zusammensinken. Ein Clown tanzt hinreißend, zart und berührend komisch, durch ein Gebirge aus weißem Tuch. Und der mürrische Musiker aus der Orchesterprobe sortiert immer noch stoisch und grummelnd seine Notenblätter. Von Station zu Station, von Traumrest zu Erinnerungsbild, lässt sich das Publikum durch die verwinkelten Gänge der Backfabrik treiben - und darf auf dem Dach des Gebäudes ein kleines, fröhliches Konzert erleben. Plötzlich lockt Italien wieder mit dem süßen Leben. Und Berlusconis Gespenst eines postmodernen Duce wird vom Dolce Vita des Theaters zumindest für einen schönen Augenblick und zum Abschluss des gleichnamigen Festivals weggeblasen.

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