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Coolness als Seinszustand: Der Schriftsteller Don Winslow.

© Ullstein/Schleyer

Don Winslow im Interview: „Kokain war der Sündenfall“

US-Krimiautor Don Winslow hat die Romanvorlage für Oliver Stones Drogenthriller „Savages“ geschrieben. Im Interview spricht er über Hippies, Surfer, Kartelle und darüber, warum er noch immer an Barack Obama glaubt.

Von Sandra Luzina

Mister Winslow, für Oliver Stones Verfilmung Ihres Thrillers „Savages“ haben Sie selbst das Drehbuch geschrieben. Und soeben haben Sie das Drehbuch zu „Satori“ vollendet. Sind Sie inzwischen Hollywoods begehrtester Krimiautor?

(lacht) Es war ein gutes Jahr für mich. Aber ich gehe mittlerweile auch anders mit Hollywood um. Autoren, die fürs Kino arbeiten, lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Die erste nenne ich: take the money and run. Die anderen wollen in den Prozess einbezogen werden. Früher gehörte ich zur ersten Kategorie, aber heute will ich mitmischen.

Ben, Chon und O, das Laguna Beach Trio, sind nicht gerade die klassischen Hollywoodcharaktere. Die jungen Männer bauen das beste Hydrogras in Kalifornien an. Anfangs schwebt ihnen wohl vor, Fair-Trade-Dope zu verticken, bis ein mexikanisches Kartell auf den Plan tritt. Ben und Chon leben in einer Ménage-à-trois mit der wohlstandsverwahrlosten O. Wie sind Sie auf diese Figuren gekommen?

Als ich in Laguna Beach lebte, war ich von solchen Leuten umgeben. Viele meiner Freunde sind Surfer. Ich hänge mit ihnen ab, lausche ihren Gesprächen. Schriftsteller reden zu viel. Sie sollten lieber die Klappe halten und zuhören.

Ihr neuer Roman „Kings of Cool“ erzählt nicht einfach die Vorgeschichte des Trios, sondern springt zurück in die Sechziger.

Ich wollte nicht „Die früheren Abenteuer von Ben, Chon und O“ schreiben, sondern eine Ursprungsgeschichte. Eine Familiengeschichte und zugleich eine Geschichte des Verbrechens in Kalifornien.

Sie blicken auf die Anfänge der Gegenkultur in Südkalifornien. Was fasziniert Sie an den Subkulturen der Surfer und Hippies?

Als die Hippies aus der Jack-Kerouac- Beatnik-Schule nach Laguna Beach kamen, trafen sie dort auf die Surfer. Es waren zwei Subkulturen, die sich da begegneten. Ich konnte einfach nicht widerstehen, darüber zu schreiben.

Wann ist denn der anfängliche Idealismus umgeschlagen in Zynismus? Was war der erste Sündenfall?

Man könnte die Geschichte Amerikas, zumindest die der letzten 40, 50 Jahre, anhand des Konsums illegaler Drogen erzählen. In den Sechzigern wurden Marihuana und LSD konsumiert. Damals ging es um Gemeinschaft. Dann kam Kokain. Eine individuelle, aggressive Droge, mit der man sehr viel Geld verdienen kann. Im Mikrokosmos, in dem „Kings of Cool“ spielt, war der Übergang von Marihuana zu Kokain der Sündenfall.

Sie erzählen auch von der Desillusionierung Amerikas. Wie war das bei Ihnen? Wann haben Sie ihre Ideale verloren?

Ich erinnere mich noch lebhaft an die Ermordung von Robert Kennedy und Martin Luther King. Als Kind wurden mir bestimmte Dinge über Amerika beigebracht – und dann kamen die Rassenunruhen und Vietnam. Das war wie der Verlust der Unschuld, auch wenn man das für naiv halten kann.

Was bewahrt Sie vor dem Zynismus?

Das hat auch mit der Wahl Obamas 2008 zu tun. Der Rassismus existiert zwar immer noch in den USA, aber immerhin haben wir einen Afroamerikaner in das höchste Amt gewählt.

Sind Sie denn nicht enttäuscht von ihm?

Nein. Als er sein Amt antrat, war die Wirtschaft am Boden. Das war nicht seine Schuld. Außerdem hatte er es mit einem hemmenden Kongress zu tun. Einige Abgeordnete äußerten sofort nach der Wahl, sie hofften, dass Obama scheitert. Für mich grenzt das an Verrat. Das werde ich diesen Politikern nie verzeihen.

"Wir Amerikaner stellen ein Viertel der Drogenkonsumenten weltweit"

Schockiert es Sie noch, wenn Sie in der Zeitung von den Grausamkeiten der mexikanischen Kartelle lesen?

Nein – und das macht mich sehr traurig. Ab einem bestimmten Punkt wird man so abgebrüht, dass einen nichts mehr schockiert. Als ich vor sechs Jahren mein Buch „Tage der Toten“ über die mexikanischen Kartelle schrieb, habe ich auch die Familien der Getöteten befragt. Ich dachte, ich hätte schon das Allerschlimmste erzählt. Aber seitdem sind weitere 40 000 Morde in Mexiko geschehen.

Sie besitzen dank Ihrer Recherche für „Tage der Toten“ viel Insiderwissen über den war on drugs – den längsten Krieg, den die USA führen. Obwohl die US-Sicherheitsbehörden seit 40 Jahren den Drogenhandel bekämpfen, sind Drogen heute billiger, reiner und leichter zugänglich. Ist der War on Drugs gescheitert?

Schon die Definition ist falsch, denn man kann keinen Krieg gegen eine Sache führen. Und die schlimmsten Drogen in den USA sind legal: Alkohol und Tabak. Das größte Suchtproblem verursachen übrigens mama’s little helpers, die Psychopharmaka auf Rezept.

Sie werden wütend, wenn vom „mexikanischen Drogenproblem“ gesprochen wird.

Wir Amerikaner stellen 25 Prozent der Drogenkonsumenten weltweit. Wir finanzieren die Gewalt der Kartelle. Der Grenzschmuggel verläuft ja in zwei Richtungen: Die Drogen wandern nach Norden, Geld und Waffen nach Süden.

Sie waren frustriert von den Krimikonventionen, als Sie „Savages“ schrieben. Wollten Sie die Grenzen verschieben?

Ich wollte eine Erzählung, die etwas Multimediales hat, die zerklüftet ist. Viele Informationen aus unterschiedlichen Richtungen – so ist die Wahrnehmung heute in unserer Kultur.

Ist es leichter, eine Action- oder eine Sexszene zu schreiben?

Da gibt es keinen Unterschied.

Man nennt Sie den King of Cool unter den Krimiautoren. Wie cool sind Sie wirklich?

Coolness ist ein Seinszustand. Diese besondere Art, wie man mit der Welt und anderen Menschen umgeht. Südkalifornien ist cool, denn dort können die Leute so sein, wie sie sind.

Ihre Bücher lesen sich aber wie eine dunkle Vision des Paradieses. Wie nah sind Sie an der Realität?

Kalifornien ist schön. Und es gibt schöne Menschen dort, die ein angenehmes Leben führen. Aber es gibt auch etwas unter dieser Oberfläche. Von Balzac stammt der Satz: Hinter jedem großen Vermögen steckt ein großes Verbrechen.

Ist das etwas, was Sie als Surfer gelernt haben: auf Unterströmungen zu achten?

In gewisser Weise schon. Man schaut auf die Wellen, aber es gibt immer etwas unter der Wasseroberfläche. Als Surfer lernt man das – oder es haut einen um.

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