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Der designierte US-Präsident Donald Trump am 11. Januar bei der ersten Pressekonferenz seit seiner Wahl.

© dpa

Donald Trump: Was hat seinen Sieg ermöglicht?

Seine Gegner haben es dem Außenseiter Donald Trump leicht gemacht. Was tun sie jetzt? Und ist das Volk wirklich so dumm, wie die Regierenden meinen?

Das Volk ist dumm. Das wissen die, die sich ihm nicht zurechnen, die durch Geld, Macht, auch Definitionsmacht, auf Distanz zum Volk sind, seit jeher. Die Wahl von Donald Trump, der an diesem Freitag Präsident der USA wird, wirkt da wie ein neuer Beleg. Die Massen haben die Eliten satt und wählen: einen von ganz oben. Einen Unternehmer, einen Milliardär, der sich ein Kabinett von Kumpels der eigenen Preisklasse zusammenstellt, Ölmulti-Konzernchefs, Hedgefonds-Manager.

Eine Anti-Eliten-Wahl war die US-Wahl im November allerdings auch gar nicht. Den neuen Präsidenten hat die Wut aufs Establishment ins Weiße Haus getragen. Und so sicher Trump in einer Machtposition ist, die ihn als Angehörigen der Elite ausweist – sie kommt aus Ämtern und Einfluss bei den einen oder durch Geld wie in seinem Fall bei anderen – so klar ist er nicht Teil jenes Teils der Elite, die Establishment heißt. Dazu gehört einer einfach nicht, der so eine Frisur trägt und vor allem ganz und gar nicht willens ist, die Spielregeln und stillschweigenden Übereinkünfte zu akzeptieren, vom korrekten Verhalten Frauen gegenüber bis zum Bekenntnis zum Freihandel.

Ein entscheidender Teil Amerikas hat also einen Außenseiter innerhalb der Elite gewählt. Das war in Europa bereits Berlusconi, auch er einer, der sein erstes Geld mit Immobilien und außerdem lukrativen Verbindungen in die höchsten Ränge der Ersten Republik gemacht hatte, sich aber erfolgreich als „neuer Mann“ präsentierte, der das miese Alte ausmisten werde.

Wahrscheinlich war es schlichte Verzweiflung

Fragt sich, warum die Leute diesen Typus wählen. Die These, sie seien schlicht zu schlicht gestrickt, um ihnen das Schicksal des mächtigsten Landes der Welt anzuvertrauen, ist nicht nur vor- und antidemokratisch, sie trägt auch nicht weit. Viel wahrscheinlicher war es schlichte Verzweiflung, geboren aus jener „Alternativlosigkeit“, die das Establishment im globalen Norden den von ihm regierten Gesellschaften in den letzten Jahren immer wieder gepredigt oder vorgelebt hat. Jetzt ist die Botschaft unten angekommen: Wo es für die nächsten Kriege, für Arbeitsplätze oder die Zukunft der sozialen Sicherheit aller Erfahrung nach gleichgültig ist, ob man oder frau ihre Stimme nach rechts oder nach links geben, geben sie sie dem, der oder die die größte Provokation ist. Das Interview, das er jetzt der Londoner „Times“ und der „Bild“ gegeben hat, stellt es erneut unter Beweis: Trump war der denkbar längste Mittelfinger, den enttäuschte amerikanische Wähler recken konnten. Eine andere Wahl hatten sie nicht.

Man nennt es Protestwahl, auch dies ein Elitenwort. Es klingt nach Nichtnachdenken über die eigene Wahlentscheidung, also Wahl nach Bauchgefühl unter Umgehung des Kopfs. Als wäre es nicht vielmehr eben jenes Establishment, das bei jeder Wahl Personaltableaus präsentiert, in denen auch langes Nachgrübeln nicht dabei helfen würde, echte Alternativen zu entdecken: Linke, die wie in Italien Arbeitnehmerrechte skrupelloser abbauen als die Rechte, Labour-Premiers, die faustdick lügen, um Kriege führen zu können, US-Präsidenten wie den Ehemann der jetzt gescheiterten Kandidatin, unter denen sich der Graben zwischen Arm und Reich rasant vergrößerte, oder ein französischer Sozialist, der nach ein paar Monaten im Elysée-Palast schon das sozialdemokratische Experiment beendete, für das er gewählt wurde, und inzwischen sogar mit dem Ausnahmezustand regiert. Und dem letzten sozialdemokratischen Bundeskanzler machte es sichtlich nichts aus, als Genosse für die Bosse gefeiert zu werden. In den USA zeichnen Forscher inzwischen nach, wie die Demokratische Partei über Jahrzehnte hinweg die Interessen der Industriearbeiterschaft vernachlässigte, die jetzt Trump gewählt hat.

Womöglich ist das Volk viel klüger als die, die es regieren

Insofern geht auch die identitäre Interpretation fehl, hier wählten abgehängte, weiße Männer den, der sie gern wären: rücksichtsloser Macho mit dicker Brieftasche. Frauenverachtung hat gegen Hillary Clinton sicher eine Rolle gespielt, wahrscheinlicher ist jedoch, dass diese weißen Männer ihre Interessen bei ihrem Konkurrenten besser aufgehoben sahen. Er versprach Jobs. Und die könnte Trump schaffen. Die schufen auch Reaganomics einmal. Das Ergebnis war eine gigantische Verschuldung der USA, aber für die, die ihr mindestens zeitweise Arbeit verdankten, ging die Rechnung auf.

Womöglich ist das Volk also nicht nur nicht dumm, sondern viel klüger als die, die es regieren. Die nämlich lernen nicht aus dem Mittelfinger, der ihnen an den Wahlurnen entgegengereckt wird – oder sie lernen das Falsche, so wie Bayerns Horst Seehofer und Frankreichs François Hollande: Dass man Frauke Petry oder Marine Le Pen durch Überholen einholen müsse.

Wieder einmal ist es nicht Ideologie, sondern Ökonomie. Der Elitensoziologe Michael Hartmann hat an diesem Wochenende in einem Interview der Stuttgarter Wochenzeitung „Kontext“ daran erinnert, dass der Anteil der Arbeitslosen unter den AfD-Anhängern sich in den letzten beiden Jahren verfünfzehnfacht, der der – materiell abgesicherten – Beamten dagegen halbiert hat. Wer die Landkarte der Arbeitslosigkeit in Deutschland über eine lege, in der die Landtagswahlergebnisse der AfD verzeichnet sei, der erhalte eine praktisch identische Landschaft. 

Rassismus, sagt der Soziologe, habe es schon früher auch in sozialdemokratischen Milieus gegeben. Der sei aber eingebunden gewesen und „für die eigene politische Position nicht dominant“. Das könne jetzt anders werden. Die ersten zwei Wahlen, bei denen jemand rechts wähle, könne er sich selbst noch als Denkzettel erklären. Erst dauerndes Rechtswählen mache auch den Rassismus dominant.

Das Volk ist dumm? Nein, auch die Wahl eines von "denen da oben" kann rational sein, wenn es die einzige Möglichkeit ist, den andern da oben zu zeigen: Wir erwarten mehr. Es wäre dann deren Sache, klug darauf zu reagieren. Die US-Demokraten reagieren auf Hillary Clintons verheerende Niederlage bisher mit den alten Personen und Rezepten – oder gar nicht. Als hätte Obama nicht zwei Wahlen gewonnen. Als hätte der Linke Bernie Sanders nicht stark mobilisiert. Wo ist der eigentlich? So hat jedes Land die Regierungen, die seine Eliten verdienen.

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