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Kultur: Donner und Gloria

Im Doppelpack: „Die Insel“ ist intelligentes Science-Fiction-Abenteuer und Krawumm-Spektakel

Vielleicht muss man diesen Film als Rettungsversuch verstehen – für eine krisengebeutelte Industrie, die nach neuen Mitteln sucht, die Menschen trotz hoher Eintrittspreise wieder ins Kino zu treiben. Hollywoods Action-Experte Michael Bay („Armageddon“), nicht unbedingt für Formexperimente bekannt, hat offensichtlich einen Vorschlag: Zeigt den Leuten nicht einfach nur einen, zeigt ihnen gleich zwei Filme!

„Die Insel“ beginnt als düsteres Science-Fiction-Szenario. Lincoln Six-Echo (Ewan McGregor) und Jordan Two-Delta (Scarlett Johansson) leben Mitte des 21. Jahrhunderts in einem gigantischen, sterilen und von der Außenwelt abgeschirmten Wellnesstempel. Der Institutsleiter (Sean Bean) trägt mit sanftem Drill Sorge für das körperliche Wohlsein seiner Schützlinge. Denn nur ein gesunder Mensch ist ein freundlicher Mensch. Und freundliche Menschen gewinnen in der Lotterie. Wer die aber gewinnt, wird mit Applaus verabschiedet für ein Leben auf der Insel – dem letzten nicht verseuchten Ort auf der Erde.

Alles Lüge, erkennt Lincoln eines Tages und überredet Jordan, die just an diesem Tag im Lotto gewinnt, zur Flucht. Doch kaum haben die beiden den post-apokalyptischen Wartesaal hinter sich gelassen, bricht der Film auseinander. Denn nun folgt eine einzige ausgedehnte Verfolgungssequenz, atemlos und materialintensiv, die sich mit dem Vorausgegangenen beim besten Willen nicht zu einem Ganzen fügen lässt. Die Freunde des Bay’schen Krachkinos werden in der ersten Hälfte unruhig mit den Füßen scharren. Wer sich aber von der bösen Zukunftsvision hat fesseln lassen, fühlt sich bald von einer Zerstörungsorgie heimgesucht. Daher wohl ist der Film an den US-Kinokassen erbarmungslos eingebrochen.

Ein wenig verwunderlich ist das schon, denn bei allem Ärger über den dumpfbackigen Umgang mit einer faszinierenden Grundidee: Was Michael Bay im zweiten Teil an Verfolgungsgeschehen entfesselt, hebt sich über ähnliche Actionthriller weit hinaus. Das ist Bays Königsdisziplin, und er liefert, was man erwarten darf. Wenn sich doch der Rauch nur hin und wieder lichtete für das anfangs angelegte Drama.

Denn der zugrunde liegende futuristische Albtraum ist beklemmend erdacht und in Szene gesetzt – als hätte Michael Crichton an einem verregneten Spätnachmittag Paranoia-Klassiker wie „Coma“ und „Logan’s Run“ verquirlt und vom Clip-Regisseur Chris Cunningham aufbereiten lassen. Dessen einzigartige Fähigkeit, digital geschliffenen Bildern eine Art hygienischen Horror zu entlocken, wird von Bay, Produktionsdesigner Nigel Phelps („Troja“) und dem Effektmeister Eric Brevig („The Day After Tomorrow“) zwar nicht erreicht, aber gut kopiert. Auch die beiden Hauptdarsteller sind sehr gut besetzt. Sie bekommen nur leider keine Gelegenheit, das existenzielle Drama auch auszutragen.

Viel Glanz und Krawumm also, alles andere muss sich fügen. Ein weiteres Produkt des ratlosen zeitgenössischen Hollywoodkinos, das sich offensichtlich nur noch von Comics inspiriert fühlt, von einer guten Idee wie dieser hier aber nicht zu einer grimmigen, eleganten Science-Fiction-Parabel hinreißen lassen mag. Es ist wie im letzten Jahr mit dem auf gleiche Weise verheizten „I, Robot“: Jedes Moral- und Handlungsdilemma löst sich auf in nichts als Verfolgungen, Explosionen, Special Effects. Vielleicht hätte man ähnlich viel Mühe in die Vertiefung der Handlung einfließen lassen sollen wie in die Akquirierung von Werbeverträgen – selten war eine derart dreiste Anhäufung unverhohlener Reklame in einem Film zu erleben. Schleichen tut da nichts mehr.

Warum also überhaupt noch Eintritt verlangen? Zwei Filme in einem, werbefinanziert und eintrittsfrei – das wär doch mal ein Geschäftsmodell für die Zukunft!

In 21 Berliner Kinos; OV im Cinemaxx Potsdamer Platz und Cinestar SonyCenter

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