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Kultur: Doppelpol

Helmut Oehrings Oper „Unsichtbar Land“ in Basel

„Männer für eine gefährliche Reise gesucht. Niedriger Lohn. Bittere Kälte. Lange Monate in völliger Dunkelheit. Andauernde Gefahr. Sichere Rückkehr ungewiss. Im Erfolgsfall Ehre und Erfahrung.“ Mit dieser Zeitungsanzeige hoffte Ernest Shackleton im Jahr 1914 auf Freiwillige, die mit ihm die Antarktis durchqueren würden. Das in Tagebucheinträgen dokumentierte Drama um die „Endurance“, Shackletons Schiff, das im Packeis zerbarst, bildet die eine textliche Grundlage in Helmut Oehrings neuer Oper „Unsichtbar Land“, die am Theater Basel als letzte Produktion unter der Intendanz Michael Schindhelms uraufgeführt wurde; William Shakespeares „Der Sturm“ ist die andere. Auch hier gibt es Schiffbrüchige, Grenzerfahrungen und letztlich ein gutes Ende. Claus Guth (Regie) hat gemeinsam mit Christian Schmidt (Bühne, Kostüme) dafür zwei getrennte Räume entworfen. Den „Sturm“ siedelt er in einer warm ausgeleuchteten, dreistöckigen Bibliothek an. Zwischen Buchdeckeln und Leselämpchen wird der Bildungshunger der Menschen gestillt. Dreht sich die Bühne, so wird auf der Rückseite eine Eislandschaft sichtbar. Hier steckt die „Endurance“ fest, hier tobt der Überlebenskampf. Im Laufe des Abends lässt Claus Guth die Welten sich begegnen. Die Antarktis wird zur Insel Prosperos, die Bibliothek zum Schauplatz der erschütternden Tagebuchberichte, die Polarmannschaft erfährt hier ihre Rettung.

Eine fortschreitende Begegnung zwischen den Welten ereignet sich auch in der Musik. Zunächst bleiben die Sphären in der in sieben Tage gegliederten Oper getrennt. Einerseits erklingt Theatermusik Henry Purcells, filigran in Klang gesetzt vom Barockensemble der Schola Cantorum Basiliensis (Leitung: Giorgio Paronuzzi). Andererseits tönt die Musik des Berliner Komponisten Oehring aus dem Orchestergraben, punktgenau gespielt vom Sinfonieorchester Basel (Leitung: Jürg Henneberger). Auch hier werden die Grenzen durchlässiger. Purcells Barocklinien finden ihren Nachhall in Oehrings Stimmengeflecht oder werden von Schlagzeugattacken niedergemäht.

Trotzdem trägt Oehrings Musik zu einer gewissen Ermüdung bei. Hier eine Melodiezertrümmerung von Didos Klage „Ah, Belinda“ auf der E-Gitarre, da ein Glissandogetümmel im Orchestergraben als Verfremdung von Purcells Klangwelt. Berührend und bewegend ist der Abend, wenn Oehring stärker fokussiert, wenn etwa die gehörlosen Gebärdensolisten Ralf Engelmann, Christina Schönfeld und Jan Sell ihren stummen und doch so lebendigen Ausdruck in die Stille richten. Oder wenn der Sopranist Arno Raunig ganz Intimes musikalisch Wirklichkeit werden lässt.

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