zum Hauptinhalt

Dorothee Diebold im Haus am Lützowplatz: Kunst, die gestreichelt werden will

Diebolds Ausstellung „The Unknown“ wird von Besuchern heftig kommentiert. Dabei geht es eigentlich gar nicht um strittige Inhalte, sondern um Form und Material.

Heftig kommentieren die Besucher Dorothee Diebolds Ausstellung im Haus am Lützowplatz: Das gehe gar nicht, schimpfen zwei, demnächst fertige die Künstlerin wohl Sofas an. Andere finden, die weichen Formen, die weiß, grau und schwarz meliert an den Wänden hängen, ähnelten einem Hund oder einer Speerspitze.

Heimlich prüft eine Frau mit dem Zeigefinger die textile Oberfläche einer Plastik, die entfernt einem zerflossenen, schmutzigen Schneemann ähnelt. Dann kommt ein Mann, grinst und fingiert einen Schlag gegen das, was der Kopf des Schneemanns sein könnte.

Nicht Inhalt, sondern Form und Material

Eigentlich geht es in Diebolds Ausstellung „The Unknown“ gar nicht um strittige Inhalte, sondern um Form und Material. Es ist die erste institutionelle Einzelschau der 1988 geborenen Künstlerin an ihrem Lebensmittelpunkt Berlin. Diebold studierte in Hamburg, Jerusalem und ihrer Geburtsstadt Offenbach am Main und zog anschließend in die deutsche Bundeshauptstadt.

[Unser neuer Newsletter BERLINER - Kunst bringt alle 14 Tage das Wichtigste aus der Kunst-Hauptstadt. Jetzt anmelden unter: www.tagesspiegel.de/berliner-kunst]

Ihr Umweg, um in der Hauptstadt gewürdigt zu werden, führte über das private Kunsthaus des Kurators René Block in Dänemark und die Städtische Galerie im niedersächsischen Nordhorn. Diebolds Katalog, der am 13. Februar im Haus am Lützowplatz präsentiert wird, soll alle drei Stationen vorstellen.

Die Schau bei Block bedeutet Vorschusslorbeeren, die die Berliner Ausstellung aber einlöst: Gleich am Eingang hängen Beispiele, die über den Ursprung Diebolds amorpher Objekte informieren: vier hochformatige Tafelbilder von 2017 in Erdtönen, verführerisch, fast zu schön gemalt mit Pigmentschlieren über in die Tiefe führendem Acrylgrund, sogar mit Glitter darauf, der an Sternenstaub denken lässt.

Ein Verlangen, die Objekte zu berühren

Das wirkt knapp vor süßlich. Doch Diebold hat sich danach ins dreidimensional Herbe vorgearbeitet. Auf den Wänden, in Ecken, über den Scheuerleisten hängen, liegen, lümmeln zusammengenähte, mit Kissen und Tüchern gefüllte Leinwände. Ihre Rundungen und Kuhlen betont stark verdünnte, teils zufällig verlaufene Farbe in Weiß, Grau und Schwarz.

So wecken die Gebilde das Verlangen, sie zu streicheln oder sich auf sie zu fläzen, und das, obwohl sie auch an harschen Schnee, Lava und überfrorenen Fels erinnern, an Gneis, Feuerstein und Granit. Dorothee Diebold selber spricht allerdings nicht von Norwegen oder Island, sondern von dem Himmel über der Wüste und dem Meer von Israel.

Die Objekte wirken, kunstgeschichtlich betrachtet, vertraut, greifen sie doch beispielsweise die „biomorphen“ Formen von Miró und Arp auf. Doch bei Vergangenheit und Gegenwart muss es nicht bleiben: In ihrer Widerspenstigkeit, die dem Publikum die viel zitierte Ambiguitätstoleranz abverlangt, zeigen Dorothee Diebolds Objekte Kraft genug für die Zukunft.
[Dorothee Diebold: „The Unknown“, bis 23. Februar im Haus am Lützowplatz, Di - So, 11-18 Uhr.]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false