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Kultur: Dostojewski im Swimmingpool

Ein Russe namens Bungalow spiele die Hauptrolle in Frank Castorfs Dostojewski-Inszenierung, berichtete unser Korrespondent Wolfgang Kralicek hier am 11.Mai nach der Premiere am Wiener Burgtheater.

Ein Russe namens Bungalow spiele die Hauptrolle in Frank Castorfs Dostojewski-Inszenierung, berichtete unser Korrespondent Wolfgang Kralicek hier am 11.Mai nach der Premiere am Wiener Burgtheater.Jetzt ist dieser ominöse Russe nach Berlin umgezogen, in die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, wo er sich geschlagene viereinhalb Stunden breit macht, dreht und wendet: Ein Sommerhäuschen, ausgestattet mit Sitzecke und Fernseher, steht im Zentrum von Bert Neumanns Bühnenbild, eine komfortable Heimstatt für die "Dämonen" des Autors.Rußland mit der Seele suchend, fragen sich Dostojewskis Romanfiguren, wo ihr Platz in der Welt, was der Sinn ihres Lebens sein könnte - was hingegen der Regisseur sucht, ist weniger der philosophische Diskurs als vielmehr der komödiantische Exzeß.Das Ensemble sondert eine Unmenge an Text ab, hat aber kaum Interesse daran, sich verständlich zu machen; Hintergründe der Figuren, Last ihrer Herkunft, Lust ihrer Zukunft, bleiben dunkel.Der "neue Mensch", Ideal des 19.Jahrhunderts, wird zwar einmal beschworen, doch was ist, 100 Jahre später, dabei herausgekommen: Spießer, die sich vor der häuslichen Glotze wiehernd auf die Schenkel schlagen.Oder die, erhitzt von den Gesellschaftsspielchen ihrer sommerlichen Party, Erfrischung im Swimmingpool suchen: Henry Hübchen - unser Bild - macht den Anfang damit, in voller Bekleidung ins kühle Naß zu tauchen, nachdem er sich vorher an einem Liegestuhl, der unter ihm immer wieder zusammengebrochen ist, abgearbeitet hat.Andere Schauspielkünstler werden ihm folgen, Martin Wuttke etwa, der das Bad gern mit zwei ansehnlichen Kolleginnen teilt, Kathrin Angerer und Sophie Rois.Wuttke spielt einen Nihilisten, Nikolai Stawrogin, einen Teufel in Menschengestalt; ein Wiedergänger seines berühmten Arturo Ui, windet sich, reckt sich und streckt sich Wuttke in hektischer Nervosität und bewirkt mit alledem, daß man, wiewohl widerwillig, dieses langen Tages Reise in die Nacht mitzumachen bereit ist.

G.G.

Weitere Gelegenheit dazu: am 21., 28.und 29.Mai, 19 Uhr.

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