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Kultur: Drei Farben Weiß

Wie die Zeit ins Hirn kommt: Astrid Klein in der Galerie Fahnemann Projekte

Das gleißende Licht der Neonarbeit zieht einen förmlich in die Ausstellungsräume von Fahnemann in der Gipsstraße, die plötzlich so groß wirken, als hätte die bevorstehende Erweiterung schon stattgefunden. Dabei steht diese noch bevor: Die Projekträume der Galerie in Berlin-Mitte bleiben vom 8. November bis zum Sommer nächsten Jahres geschlossen, danach zieht die Galerie komplett von Charlottenburg nach Mitte.

Das strahlende Weiß ist der erste Eindruck und das Thema der neuen Arbeiten von Astrid Klein. Weiß sind die Fonds der Schriftarbeiten, deren Oberflächenstruktur die reproduzierten Spuren von Marmor- und Alabastastaub aufweisen. „Mild cognitive impairment“ – eine leichte Beeinträchtigung der Wahrnehmung erlebt der Betrachter buchstäblich angesichts der übereinander auf die Leinwand gedruckten Worte, die aus der blendenden Leere einer weißen Nebelwand wie ein Menetekel hervorgehen. Der Schriftzug „Recollections of a blank mind“ bildet den flachen Horizont einer Wolkenlandschaft, in der wir die Erinnerungen eines gelöschten Verstandes wie in einem leeren Spiegel vergeblich suchen. Und kaum mehr lesbar ist den vergrößerten Strukturen einer horizontalen Tuscheschraffur die Zeile eines Yeats Gedichtes eingeschrieben: „tread softly, because you tread on my dreams“ (Tretet leise auf, ihr tretet auf meine Träume).

Die physiologischen und erkenntnistheoretischen Bedingungen der Wahrnehmung und Erinnerung sind Themen, mit denen sich die 1951 geborene Kölner Künstlerin schon lange beschäftigt. Weiß wird hier als Bedeutungsträger, als Farbe der Blendung, der Löschung und Leere eingesetzt. Anders dagegen dienen die weißen Glanzlichter in der vor zwei Jahren begonnenen Reihe von Frauenbildnissen als formaler Ausdruck kühler Schönheit, makelloser Perfektion und klassischer Harmonie. Die in unterschiedliche Szenen hineinmontierten Frauen sind als reine Flächen charakterisiert. Ihre Posen sind gleichgültig, ihre Blicke nicht auf den Betrachter, sondern in Spiegel oder nach innen gerichtet. Sie sind Projektionsflächen unserer Wahrnehmungen, Erinnerungen und Träume, die von einer assoziativen Bildunterschrift gelenkt werden (je 25000 Euro).

Die kühle Schönheit der Frauenbilder wird von der Neonarbeit ins rechte Licht gerückt. Seit 1991 arbeitet Astrid Klein mit Neon, das in seiner kalten, neutralen Lichtqualität ihrem Ideal entgegenkommt. Während sie bisher industriell gefertigte Neonröhren verwendet hat, auf die Texte eingraviert wurden, hat sie nun erstmals eine freiere Form von mundgeblasenen Neonröhren gewählt, die sich wie ein Lichtknäuel zu einer skulpturalen Wandarbeit verschlingen. Die Frage „Wie kommt die Zeit ins Hirn“ zieht sich über alle Windungen der feinen Röhren, deren weißes Licht als Farbe der Abstraktion, des Immateriellen und Geistigen erscheint (35000 Euro).

Alle drei Werkgruppen, die Neonarbeiten, die Frauen und die Schriftbilder sind seit den späten Siebzigerjahren Bestandteile von Astrid Kleins Werken. Mit ihrem neuen drucktechnischen Verfahren hat sie ein hochartifizielles Medium entwickelt, das genau auf der Schnittstelle zwischen Malerei und Fotografie angesiedelt ist. Parallel zur Ausstellung bei Fahnemann zeigt die Künstlerin auf der Art Cologne bei Monika Sprüth und der Produzentengalerie aus Hamburg Arbeiten, die einen weiteren Schritt in Richtung Malerei markieren . Mit Erfolg: Die farbigen und von Hand bearbeiteten Leinwände (20000 – 25000 Euro) sind restlos ausverkauft.

Fahnemann Projekte, Gipsstraße 14, bis 7. November, Dienstag bis Sonnabend 13–18 Uhr.

Dorothea Zwirner

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