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Kultur: Drei Jedermenschen auf der Flucht vor dem Dilemma

Ballhaus Naunynstraße: die Uraufführung der Klavieroper "Triest" durch die Berliner KammeroperVON BORIS KEHRMANNEine Oper, in der prosaische Sätze zu singen sind, wie: "Jetzt mach dich nicht verrückt, du kannst nichts tun und niemand hier erwartet es von dir," gibt sich als Zeitoper zu erkennen.Die Tragödie Bosniens steht im Raum, wird aber nicht beim Namen genannt.

Ballhaus Naunynstraße: die Uraufführung der Klavieroper "Triest" durch die Berliner KammeroperVON BORIS KEHRMANNEine Oper, in der prosaische Sätze zu singen sind, wie: "Jetzt mach dich nicht verrückt, du kannst nichts tun und niemand hier erwartet es von dir," gibt sich als Zeitoper zu erkennen.Die Tragödie Bosniens steht im Raum, wird aber nicht beim Namen genannt.Das politische Dilemma, das die Klavieroper "Triest" verhandelt, stellt uns die Frage: Was würden Sie tun, wenn ein illegaler Flüchtling bei Ihnen anklopfte und Einlaß begehrte? Der Salzburger Schriftsteller und Kosmopolit Thomas Plaichinger skizziert diese realistische Situation in groben Zügen und verallgemeinert sie zum Parabelspiel für drei Jedermänner und -frauen.Da sich aber Thesenstücke und politische Diskussionen nur schwer vertonen lassen, ohne unfreiwilliger Komik zur Beute zu fallen, zollt das Libretto der Gattung Oper über weite Strecken hin mit lyrischen Übersetzungen seiner Problematik Tribut: die Sopranistin (Hanna Dora Sturludottir) entflieht der Wirklichkeit in vage Abendstimmungen und leere Zerstreuungen, die Altistin (Gaby May) befällt diffuse Angst und Hilflosigkeit angesichts der Flüchtlingsströme, der Bariton (Andreas Jören) sucht Vergessen in Wein, Weib, aber nur wenig Gesang.Hier hätte der australische Komponist Philip Mayers Gelegenheit gehabt, unausgesprochene Beklemmungen musikalisch zwingend zu verdichten.Seine Gesangslinien schwingen sich aber nur selten zu expressiven Formulierungen auf und auch der Instrumentalpart (Angela Gassenhuber am Flügel) bleibt enttäuschend einfarbig.Cornelia Heger allerdings setzt in ihrer Uraufführungs-Inszenierung für die Berliner Kammeroper einen Kontrapunkt.Ihre choreographische Personenregie verweist das Geschehen in eine surreale Innenwelt.Fred Pommerehn hat ihren Figuren, die in Andrea Hoppens starkfarbigen Kostümen mit Vorliebe rückwärts gehen und Haltung und Gebärde antiker und moderner Skulpturen zitieren, eine ingeniöse Installation in das Ballhaus Naunynstraße gestellt: in den abgeschlossenen weißen Raum sickert von allen Seiten Außenwelt in Form von Durchblicken und Fenster-Schatten ein.Ein wenig von dieser Ambivalenz hätte man der Komposition auch gewünscht.

BORIS KEHRMANN

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