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Kultur: Drei Neuerscheinungen zu Marlen Haushofers 80. Geburtstag

Zeitlebens blieb sie die gutbürgerliche Frau Doktor aus der oberösterreichischen Kleinstadt Steyr. Marlene Haushofer, Tochter einer Zofe und eines Revierförsters aus Frauenstein, Studentin der Germanistik, Mutter von zwei Söhnen und Ordinationshilfe in der Zahnarztpraxis ihres Mannes sagte von sich: "Eigentlich kann ich nur leben, wenn ich schreibe.

Zeitlebens blieb sie die gutbürgerliche Frau Doktor aus der oberösterreichischen Kleinstadt Steyr. Marlene Haushofer, Tochter einer Zofe und eines Revierförsters aus Frauenstein, Studentin der Germanistik, Mutter von zwei Söhnen und Ordinationshilfe in der Zahnarztpraxis ihres Mannes sagte von sich: "Eigentlich kann ich nur leben, wenn ich schreibe." Sie verfasste fünf Romane, darunter "Die Mansarde" und die genialische Endzeitvision "Die Wand" von 1963, meisterliche Novellen wie "Wir töten Stella", Hörspiele und vier Kinderbücher.

Dennoch wagte sie es nicht, offiziell das Leben einer erfolgreichen und mit Auszeichnungen wie dem Österreichischen Staatspreis geehrten Schriftstellerin zu führen. Lesungen waren ihr ein Gräuel. Bis auf wenige Reisen nach Italien, die sie als Befreiung erlebte, und ihre Besuche im Wiener Künstlercafé Raimund gönnte sie ihrer Kreativität kaum Freiräume. Die Stunden zum Schreiben stahl sie sich zusammen. So verkörperte sie ein typisches Frauenschicksal der fünfziger Jahre, wie das ihrer Heldinnen. Deren Hellsichtigkeit, insbesondere was den Kampf der Geschlechter angeht, verleiht ihnen zeitlose Gültigkeit, und in den achtziger Jahren galt Haushofer auf einmal als präfeministisches Vorbild.

"Unauffälligkeit" wurde Marlen Haushofer von ihrem wichtigsten Mentor, dem Literaturkritiker Hans Weigel, attestiert. Das ist nicht negativ gemeint: Unauffällig mögen die Alltagsgeschichten sein, die sie erzählt, die Doppelbödigkeit des Geschehens schlägt um so nachhaltiger in den Bann. Das gilt auch für den Roman "Die Tapetentür" von 1957, den der Zsolnay-Verlag zu Marlen Haushofers achtzigstem Geburtstag im April neu herausgebracht hat. Die Verlage Zsolnay und Claassen teilen sich die Neuauflage ihrer Werke.

"Die Tapetentür" ist das Psychogramm einer Bibliothekarin um die Dreißig, die von der Liebe wie von einer Krankheit überfallen wird. An eine kurze Ehe erinnert sie sich nur schemenhaft. Am Anfang und am Ende der Handlung steht der Tod - zunächst der des Vaters der Erzählerin Annette. Sie, die Nachdenkliche, Zögernde, verliebt sich mit elementarer Wucht in den Nachlassverwalter Gregor Xanthner, einen selbstsicheren Mann des schnellen Erfolges. Unversöhnlich scheint der klassische Gegensatz zwischen Vita activa und Vita contemplativa auf. Annette hat Duldung und Erstarrung als "weibliche" Verhaltensweisen so sehr verinnerlicht, dass sie alle Schuld für die beginnenden Unstimmigkeiten bei sich sucht. "Reizbar und hilflos wie eine Nacktschnecke" bemüht sie sich panisch, ihre Unruhe nicht nach außen dringen zu lassen und vertraut sie nur ihrem Tagebuch an.

Als feststeht, dass sie schwanger ist, überfallen diese anderen Umstände Annette wie aus dem Hinterhalt. Sie sieht einer konventionellen Zukunft als Ehefrau und Mutter entgegen, aber ihre Tag- und Nachtträume sprechen eine bedrohliche Sprache. Das ungeborene Kind empfindet sie als etwas, das sie "aushöhlt und auffrißt", die Schwangerschaft wird zum Abschied von der Freiheit. Das waren Ende der fünfziger Jahre unerhörte Töne.

Kurz vor der Geburt unternimmt Annette im Traum einen befreienden Höllenritt durch die Tapetentür ihres Schlafzimmers, was dem Roman seinen Titel gab. Der Ausbruchsversuch, bei dessen Schilderung sich die eher kühle und verhaltene Sprache furios steigert, bleibt imaginär und dadurch im Rahmen des Zulässigen. Die Tapetentür führt nicht ins Offene, ins selbstbestimmte Leben. Als das Kind tot auf die Welt kommt, überrascht das fast nicht mehr. Annette interpretiert es als Konsequenz ihrer Verweigerung.

Ende Februar 1970, einen Monat vor ihrem Tod, der sie vom Martyrium des Knochenkrebses erlöste, verfasste die noch nicht fünfzigjährige Marlen Haushofer eine letzte Tagebuchnotiz. Sie klingt trostlos und in der Verweigerung jeder Sentimentalität beinahe wieder tröstlich:"Mach Dir keine Sorgen - alles wird vergebens gewesen sein - wie bei allen Menschen vor Dir. Eine völlig normale Geschichte."Marlen Haushofer: Die Tapetentür. Roman. Mit einem Nachwort von Manuela Reichart. Zsolnay Verlag, München und Wien 2000. 200 Seiten, 34 Mark

Daniela Strigl: Marlen Haushofer. Die Biographie. Claassen Verlag, München 2000. 400 Seiten, 44 Mark

Liliane Studer (Hg.): Die Frau hinter der Wand. Aus dem Nachlaß der Marlen Haushofer. Claassen Verlag, München 2000. 144 Seiten, 34 Mark.

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