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Kultur: Drei schwarze Herren

Die Komische Oper zeigt der Bahn, wo’s langgeht

Dass die Winterkälte Flugzeuge zu Boden zwingt, Bahnen bremst, Lastwagen über Autobahnen schliddern lässt – das hat in diesen Tagen manch einen zur Verzweiflung gebracht. Noch größer muss die Verzweiflung an der Berliner Komischen Oper gewesen sein. Da schlug die Kälte am zweiten Weihnachtstag bei Wagners „Meistersingern“ allen drei Sängern der Hauptrollen dermaßen auf Brust und Kehle, dass Intendant Andreas Homoki vor dem ersten C-Dur-Akkord auf die Bühne treten musste: Leider sei Marco Jentzsch, der Interpret des Stolzing, ganz ohne Stimme, weswegen er seine Rolle nur stumm spielen könne. Das Singen übernehme Jeffry Dowd für ihn, ein eilig angereister Kollege aus Essen. Auch mit Tómas Tómasson (Sachs) und Tom Erik Lie (Beckmesser) stehe es schlecht. Aber ein Spezialkommando der Charité habe die Kollegen fit gemacht für diesen Abend. Man hoffe, dass sie durchhielten.

So nimmt eine der kuriosesten Opernaufführungen ihren Lauf. Der Essener Einspringer – schwarze Hose, schwarzes Hemd – steht unauffällig links am Bühnenrand, singt einen prächtigen Stolzing, während Jentzsch so tut, als ob, karpfengleich den Mund öffnet und schließt. Playback in der Oper. Die beiden anderen Angeschlagenen mühen sich trotz aller Widrigkeiten redlich – bis im dritten Akt plötzlich auch Beckmesser verstummt und ebenso urplötzlich ein weiterer Herr in Schwarz am Bühnenrand auftaucht und seine Stimme leiht. Keine fünf Minuten vergehen, da macht auch noch Hans Sachs schlapp, und schon steht, schwarzbehost, schwarzbehemdet, wie aus dem Nichts, der dritte Stimmverleiher an der Rampe. Stumm kämpft sich das Trio der Kälteopfer ins Finale. Die Komische Oper beweist Weitblick, platziert Sänger auf der Ersatzbank (Michael Kraus, Ralf Lukas) – und zeigt der Bahn, wie man der Kälte trotzt. Wolfgang Prosinger

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