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Kultur: Dresden strahlt

Von Bernhard Schulz

Der Brand in Weimars HerzoginAnna-Amalia-Bibliothek hat gezeigt, wie gefährdet auch in Friedenszeiten unser kulturelles Erbe ist. Dresden steht demgegenüber für die historische Katastrophe des Zweiten Weltkrieges. 59 Jahre, nachdem die Stadt im Feuersturm verglühte, verstrichen, bis sich die Stadt jetzt wieder mit ihrer altvertrauten Silhouette präsentieren kann. Der „Canaletto“-Blick, der die Türme der Katholischen Hofkirche, des Residenzschlosses und der Frauenkirche in jenem berühmten, betörenden Bild vom jenseitigen Elbufer aus vereint, bietet sich nach dem Fall der letzten Gerüste am Neubau der Frauenkirche aufs Neue. Nun feiert Dresden die Rückkehr des Grünen Gewölbes, der Schatzkammer Augusts des Starken, ins Schloss, das ebenso lange als Ruine dahindämmerte.

Dresden – eine Erfolgsgeschichte? Das trifft wohl zu. Aber es griffe zu kurz, im – beinahe wortwörtlich! – Phoenix-gleichen Wiederaufstieg der Stadt allein den stolzen Erfolg von Land und Kommune zu sehen. Denn Dresden ist mehr: die symbolische Stadt der Kriegszerstörung, die Deutschland ereilte, nachdem von hier aus der Zweite Weltkrieg entfesselt worden war. Diesen Zusammenhang anzumahnen, blieben die verkohlten Reste der Frauenkirche liegen; weniger als DDR-Geschichtspolitik, als nach dem Willen der Bürger, die sich ein schlichtes Zurück nicht vorstellen konnten.

Dieses Zurück wird es ohnehin niemals geben können. Bei aller Bewunderung für die Anstrengungen Dresdens zur Wiedererlangung seines Stadtbildes bleiben die Lücken, die der Krieg gerissen hat, der hervorstechende Eindruck. Allein in ihrem ältesten Kern hinter der Elbmauer kann die Stadt einen Eindruck von der barocken Residenz vermitteln. Dazu zählt zuallererst das Schloss, das mit dem Grünen Gewölbe nun einen bedeutenden Teil seiner ursprünglichen Bestimmung zurückgewinnt.

Aber Dresden steht nicht allein für den Krieg. Es steht im besonderen für die ungleiche Verteilung der Lasten, die Deutschland seit 1945 zu tragen hatte. Dass der kleinere, östliche Teil Deutschlands im sowjetischen Herrschaftsbereich davon weit stärker betroffen war, ist eine auch vierzehn Jahre nach der Wiedervereinigung gerne verdrängte Tatsache. Schon darum hat Dresden alles Recht, es den westdeutschen Kommunen gleichzutun, die bereits in den Wirtschaftswunderjahren daran gingen, ihre Wunden zu schließen. Dresden hingegen erlebte nach der Brandnacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 seine zweite, schleichende Zerstörung durch die Mangelwirtschaft des DDR-Städtebaus. Es ist mit Händen zu greifen. Nur im Stadtkern gewinnen Baudenkmäler wie Frauenkirche und Residenzschloss ihre Strahlkraft zurück. Sie können – bei allem, was Dresden widerfahren ist und im Bewusstsein der Nation unauslöschlich Platz gefunden hat – nicht als Restauration missverstanden werden. Kirche und Schloss stehen vielmehr für die Katharsis, durch die Dresden gegangen ist – symbolisch auch dies für das ganze Deutschland.

Andererseits darf sich Dresdens Wiedergeburt nicht in Vergangenheitsseligkeit erschöpfen. Der Hang der Stadt und ihrer Einwohner zum Traditionalismus bis hin zur Selbstzufriedenheit ist notorisch. Eben darum muss ein weiteres Moment hinzutreten: das der Orientierung auf eine Zukunft eigener Prägung. Das 20., das 21. Jahrhundert müssen in der Stadt ihren Platz finden. Darum war jüngst das Engagement des Malers Gerhard Richter zu Recht so feierwürdig, der seiner lange verleugneten Heimatstadt eine bemerkenswerte Kollektion seiner weltbedeutenden Kunstwerke als Dauerleihgabe zusprach. Das ist eine Morgengabe, an deren symbolischen Gehalt die Politik von Stadt und Freistaat Sachsen tatkräftig anknüpfen muss. Denn allein in der Verbindung von Erbe und Gegenwart liegt die ermutigende Perspektive der Stadt, die einmal Elbflorenz heißen konnte: stellvertretend für den Osten und ein Signal für ganz Deutschland.

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