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Kultur: Du bist die Schänste auf der Wält

Tapfer: „Csárdásfürstin“ in der Waldbühne.

Ein Desaster. Kein künstlerisches, aber ein verkaufsstrategisches. Die riesige Waldbühne ist nur zu einem Drittel gefüllt. Angesichts dieser Pleite versteht man die Entscheidung Peter Schwenkows und seiner Deutschen Entertainment AG noch weniger, mit der gerade eingeführten Marke „Seefestspiele“ vom Wannsee zu verschwinden und die „Csárdásfürstin“ in der Waldbühne aufzuführen. Wie Hohn wirkt da der ursprüngliche Plan, bei gutem Verkauf einen zweiten Tag dranzuhängen. Es bleibt bei dieser einen Aufführung.

Die Künstler vom Budapester Operettentheater arbeiten hochprofessionell gegen die Tristesse an. Regisseur Miklós-Gabor Kerényi gibt dem Affen reichlich Zucker, spart nicht an blitzenden Uniformen, feschen Trachten, champagnerperlenden Bällen, alles überwacht vom habsburgischen Doppeladler. Und doch blendet er die Realität des Jahres 1915 nicht aus, in dem Emmerich Kálmáns Operettenklassiker entstand. Der Erste Weltkrieg ist präsent, verstümmelte Soldaten stürmen die Bühne, RotkreuzSchwestern huschen davon, dann tanzt wieder die fürstliche Gesellschaft auf dem Vulkan: Das Weltflüchtige, das dem Genre Operette anhaftet, ist beeindruckend herauspräpariert. An welcher Stelle das Bühnenbild allerdings, wie angekündigt, „für Berlin modifiziert“ sein soll, fragt man sich vergeblich.

Károly Peller als Boni: eine sympathische Grinsebacke mit glaubhaftem Interesse am Wohlergehen von Sylva, der Csárdásfürstin. Die singt Anna Maria Kaufmann mit lichtem Sopran, biestig, impulsiv: eine Persönlichkeit. Anders der Edwin von Zsolt Vadász, ein pathetischer Klischee-Ungar („Du bist die Schänste auf der Wält“). Ralph Morgenstern als Oberkellner Miska nervt. Seine Figur wurde als Zugpferd für das Berliner Publikum installiert – man merkt die Absicht und ist verstimmt. Dirigent László Makláry und sein Orchester liefern einen spritzig-feurigen Operettensound, auch wenn die Abstimmung zwischen Sängern und Musikern immer mal klappert. Ein Lob Martin Harbauer, der die Einstudierung der deutschen Texte besorgte: Die Ungarn sprechen verständlich, ihr Akzent erhöht nur den Authentizitätsfaktor.

Trotz allen ehrlichen Bemühens: In dieser „Csárdásfürstin“ steckt der Wurm. Weil die Waldbühne zu groß ist für Operette. Weil man dem Publikum nicht einfach ein zwar gutes, aber völlig unbekanntes Ensemble vorsetzen kann, wenn es zuvor Eigenproduktionen in der Regie von Katharina Thalbach und Volker Schlöndorff am Wannsee gab. Und weil jeder weiß, dass die Ungarn Lückenbüßer sind für eine verfehlte Planung. Das tut ihrer Leistung an diesem Abend keinen Abbruch. Denen, die gekommen sind, gefällt’s. Udo Badelt

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