zum Hauptinhalt

Kultur: Du bist vielleicht ’ne Marke

Wo Künstler, Publikum und Sponsoren sich finden: der 4. Berliner Kulturinvest-Kongress.

Kreuzberg brennt, und es ist nicht mal der 1. Mai. Der Feind: Ein Raumschiff namens Guggenheim Lab, das im Kiez Station machen soll, fatalerweise aber das Kürzel BMW im Namen führt. Geht in Kreuzberg natürlich gar nicht. Das Projekt musste ins neubürgerlich befriedete Prenzlauer Berg ausweichen – ein extremes Beispiel für die Klippen, die auf Kulturanbieter und Sponsoren warten, wenn sie zusammenarbeiten. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen wird diese Form der Kooperation trotzdem immer wichtiger, und meistens läuft sie ja auch viel diskreter ab als im Fall des Guggenheim Lab.

Auf Einladung der Agentur Causales kamen am Donnerstag und Freitag rund 400 Vertreter von Firmen sowie Theatern, Museen und Festivals zum 4. „Kulturinvest-Kongress“ ins Tagesspiegel-Gebäude. Sie wollten sich austauschen und mehr erfahren über die Möglichkeiten des Kultursponsorings, über die Bedeutung von Markenbildung, über steuerliche Rahmenbedingungen, Grauzonen bei Medienpartnerschaften oder Begriffe wie „Crowdfunding“ oder „360 Grad- Marketing“.

Natürlich geht es darum, dass beide Seiten gleichermaßen profitieren. BMW hat die Aufregung um das Lab letztlich überhaupt nicht geschadet, sondern die Marke nur noch bekannter gemacht. Zwar lässt sich der unmittelbare Ertrag für den Sponsor – der sogenannte return on investment – nicht in Euro ausdrücken. „Das ist, als ob sie Pudding an die Wand nageln wollen“, sagt Thomas Girst, Leiter des Kulturengagements von BMW. Dennoch ist der Nutzen klar.

Auch im Fall der Firma Würth, einem anderen großen Sponsor mit langer Tradition, handeln 40 Prozent der Medienberichte von dessen kulturellem Engagement, nur 30 Prozent von den Produkten. Die sind zwar in der Tat schlecht sichtbar, weil sie meist in der Wand stecken – Würth handelt nämlich mit Schrauben, Dübeln etc. Dennoch hat Würth-Geschäftsführer Harald Unkelbach mit diesen beiden Zahlen im Grunde schon alles gesagt.

Und wie sehen das die Vertreter der Kulturinstitutionen? Die hören interessiert zu, wenn ihnen Julia Frohne von der International School of Management nahelegt, so wie die kommerzielle Werbung mehr Bilder und kaum Text auf Plakaten zu verwenden, weil die Informationen heute im Internet nachgelesen werden können. Zudem sollten sie nicht mit negativen Emotionen wie Bedrohung oder Ohnmacht arbeiten, wie es vor allem Theater gerne tun. Elke Siebert vom Kulturamt Karlsruhe berichtet, wie es ihrer Stadt gelang, Potenziale von Managern und Mitarbeitern zu bündeln und so Karlsruhe als Marke quasi neu zu erschaffen – denn auch Städte lassen sich heute als Produkte wahrnehmen, ähnlich wie Festivals.

Intendantin Ilona Schmiel schildert den Aufstieg des Beethovenfestes Bonn in schillerndsten Farben und lässt nebenbei keine Gelegenheit aus, gegen den Erhalt der von Bonner Bürgern geschätzten Beethovenhalle von 1959 zu sticheln, die in ihren Augen „nicht funktioniert“ – auch dafür ist Zeit auf dem Kongress.

Wie auch für die Frage, warum Sponsoring im Sport einfacher ist als in der Popmusik: Weil es im Sport schon länger passiert und man sich daran gewöhnt hat. Weil Fußball immer stattfindet, eine Band aber manchmal jahrelang kein neues Album vorlegt. Weil Geld im Sport eine Metapher ist für Erfolg, in der Kunst hingegen nur manchmal. Und weil Künstler sowieso anders sind als bolzende Profis: Sie stellen sich auch mal quer. Deshalb gibt es eigene Agenturen wie Akzio, dessen Geschäftsführer Thomas Kahl am Beispiel von Shakira und der Automarke Seat erklärte, wie er den passenden Künstler findet, wenn eine Firma ihre Marke „emotionalisieren“ will (hier kommt das 360- Grad-Marketing ins Spiel).

Thomas Girst von BMW handelt gerne nach der Maxime „Subtilität des Auftritts zeugt von der Souveränität des fördernden Unternehmens.“ Die Proteste gegen das Guggenheim Lab hat er übrigens auch ganz subtil eingemeindet: Das Schild „BMW kollektivieren!“, das damals geschwenkt wurde, steht heute in seinem Büro. Verstanden hat er die Forderung sowieso nie so richtig: „Wieso kollektivieren? Es kann doch jeder Aktien kaufen.“Udo Badelt

Zu jedem Kulturinvest-Kongress gehört eine Gala im Tipi am Kanzleramt. Dabei werden die Preisträger der „Kulturmarken“ vorgestellt, auserkoren von einer hochkarätigen Jury deutscher Kulturgrößen. Zum Beispiel das BMW Guggenheim Lab als „Trendmarke des Jahres“. Während zur Auszeichnung des Bamberger Stadtmarketingchefs Klaus Stieringer gleich eine ganze Armee von fränkischen Volksvertretern angereist ist, um dem „Kulturmanager des Jahres“ zu gratulieren, übt sich Ilona Schmiel, Intendantin des als „Kulturmarke des Jahres“ ausgezeichneten Beethovenfestes, in Fatalismus. Dass aus Bonn kein Politiker gekommen sei, spreche für sich.

In Gripstheaterchef Volker Ludwig, der für sein Lebenswerk einen Ehrenpreis erhielt, hat die Hauptstadt einen mehr als würdigen Vertreter. Der frotzelte standesgemäß, er habe bisher gar nicht gewusst, ein „Kulturmanager“ zu sein. Andererseits kümmere er sich, seit er die künstlerische Leitung abgegeben hat, tatsächlich „nur noch ums Geld“ für das Jugendtheater. Das Grips-Theater nimmt die kulturelle Bildung ernst, zieht für die gesamte Kulturlandschaft Nachwuchs heran, und zwar nachhaltig und ohne viel PR-Tamtam für Einzelaktionen im Blitzlichtgewitter. Wer noch?

So bleibt am Ende dieser Gala, bei der sich alle auf die Schulter klopfen und „weiter so“ rufen möchten, auch Verdrängung: Wenn Kultur nicht in einer breiten gesellschaftlichen Basis verankert bleibt, die man nachzüchten muss, wo steht öffentliche Kulturfinanzierung dann in 20, 30 Jahren? Im Tipi mochte niemand die Frage stellen, aber, so scheint’s, man rüstet sich. Christian Schmidt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false