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Dirigent Gustavo Dudamel.

© Matthias Creutziger

Dudamel und Barenboim eröffnen das Musikfest Berlin: Ja, sie lieben Brahms

Das „Musikfest Berlin“ startet 2014 fulminant: Daniel Barenboim spielt in der Philharmonie beide Klavierkonzerte von Johannes Brahms, Gustavo Dudamel und die Staatskapelle begleiten

Gäbe es von Johannes Brahms ein drittes Klavierkonzert, er könnte es jetzt noch als Zugabe spielen – so frisch und entspannt wirkt Daniel Barenboim am Ende dieses Eröffnungsabends zum „Musikfest Berlin 2014“. Dabei hat er doch gerade zwei der komplexesten Werke interpretiert, die jemals für Pianisten geschrieben wurden. Dieser Künstler ist ein Phänomen, Tatkraft, Konzentrationsfähigkeit und Musizierfreude scheinen ihm in unbegrenztem Maße zur Verfügung zu stehen.

In den vergangenen vier Wochen war er mit seinem West Eastern Divan Orchestra auf Tour, in Buenos Aires, Luzern, London, Salzburg und zum Abschluss in der Berliner Waldbühne. Am Sonntag stand er mit Anna Netrebko auf der Bühne, am heutigen Donnerstag startet er mit der Staatskapelle zu einer Gastspielreise nach Köln, Helsinki und Moskau.

Und dazwischen stemmt er die beiden Brahms-Brocken, das d-Moll-Konzert aus der Sturm-und-Drang-Zeit des Komponisten, sowie das repräsentative, wilhelminisch wirkende B-Dur-Konzert. In der Pause kann man von der Philharmonie- Terrasse aus den passenden Himmel dazu betrachten: dramatisch von unten erhellte Wolkenformationen, leuchtend zwischen rosa und abricot, dazu das Azur des Horizonts. Es ist just der Moment, da die Tageshelligkeit in die blaue Stunde umschlägt. Romantischer geht’s nicht. Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust.

Beeindruckende Gästeliste beim Musikfest 2014

Beeindruckend ist die Gästeliste des „Musikfest Berlin“ in diesem September, Orchester aus Cleveland und Amsterdam werden erwartet, aus London, München, Dresden, Bamberg, Leipzig, Köln und vom SWR. Da wirkt ein Start mit Barenboim auf dem Papier fast ein wenig zu alltäglich. Schließlich ist hier seit 22 Jahren sein Lebensmittelpunkt.

Und doch wird es ein echter Gala- Abend, nicht im Sinne einer Glamour-Veranstaltung – obwohl tout Kulturberlin und viele auswärtige Intendanten im Saal sind –, sondern rein aus musikalischer Sicht. Im d-Moll-Konzert fokussiert Barenboim ganz auf die intimen Momente, verweigert sich der Kraftmeierei, zu der dieses Stück durchaus verleitet. Abgeklärt wirkt das, manchem vielleicht zu spröde. Gustavo Dudamel muss höllisch aufpassen bei diesen Selbstgesprächen seines Solisten. 2007 hat Barenboim dem damals 26-jährigen Jungmaestro sein Berlin-Debüt ermöglicht, beim „Musikfest“, ebenfalls als sein Begleiter am Pult der Staatskapelle. Viel Souveränität hat der Venezolaner mit dem vulkanischen Temperament seitdem dazugewonnen.

Seit 1958 hat Barenboim Brahms' Konzerte im Repertoire

Effektvoll-opernhaft legt er die Einleitung des d-Moll– Konzerts an, wenn er zwischen den Fortissimo-Ausbrüchen das sangliche Thema sehr langsam nimmt, glanzvoll spielen die Musiker im B-Dur- Konzert, in perfekter Klangbalance mit Barenboim. Seit 1958 spielt der die zwei Werke schon, hat sie aus beiden Interpreten-Perspektiven studiert, jahrzehntelang. Virtuosenprunk interessiert ihn nicht mehr, die diffizilen Läufe und Akkordketten erklingen en passant. Dafür lässt er im Tongetümmel Details aufleuchten, eine harmonische Wendung hier, ein bestimmtes Motiv da schafft atmosphärische Dichte, gibt dem Adagio des d-Moll-Konzerts die Innigkeit eines Gebets in freier Natur, dialogisiert im Andante des B-Dur-Konzerts aufs Berührendste mit der Solo-Cellistin Sennu Laine, nimmt das Finale mit einer heiteren Eleganz, als wär’s vom Brahms- Zeitgenossen Camille Saint-Saens.

Zum Schluss, nach langem, dankbarem Jubel, setzt sich Daniel Barenboim noch einmal an den Flügel, umgeben von seinen Musikern, die nun ebenso aufmerksam lauschen wie Besucher, und spielt ein Nocturne von Chopin: zart, duftig, weltentrückt. Ein Abschiedsgruß an diesen Sommer, der groß war.

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