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Kultur: Dünne Luft an der Spitze

Grisebach, Lempertz, Hampel: Rückblick auf die deutschen Sommerauktionen

Nach dem jüngsten Wettstreit um weltweite Höchstpreise von Giacometti und Picasso hoffte der Auktionsmarkt bereits auf einen neuen Hype. Vom Höhenrausch vergangener Jahre ist man jedoch vor allem bei den Zeitgenossen weit entfernt. Hohe Erwartungen wurden in dieser Woche in London kritisch geprüft. Das Gros der blue chips erreichte bei Sotheby's die Taxen nur knapp, Werke von Gerhard Richter oder Andy Warhol blieben darunter. Yves Kleins blaues Schwammrelief „RE 49“ wurde innerhalb der Schätzung mit 6,2 Millionen Pfund zum teuersten Los des Abends. Mit rund 41 Millionen Pfund (50 Millionen Euro) verbuchte Sotheby's eine Steigerung von 60 Prozent gegenüber der Vergleichsveranstaltung 2009. Ein ähnliches Bild ergab sich bei Christie’s, wo Warhols "Silver Liz" als Hauptlos auf bis zu acht Millionen geschätzt war und knapp 6,8 Millionen Pfund erzielte.

Wenngleich die hiesigen Auktionshäuser stets hinter den Ergebnissen in New York oder London liegen, zeigt sich auch in Deutschland: In der Breite wird kräftig zugeschlagen – an der Spitze bleibt die Luft dünn. Allein das Münchner Auktionshaus Hampel tastete sich an die Millionengrenze heran, hatte sich mit mindestens 900 000 Euro für Morris Lewis aber deutlich verschätzt. Trotzdem führt Hampel die Top Ten an. In der letzten Dekade herrschte hier die Klassische Moderne, und Lempertz in Köln sowie die Berliner Villa Grisebach machten das Rennen in der Regel unter sich aus. Im März verdreifachte Altmeister Lucas Cranach d. J. bei Hampel die Schätzung für „Die Bekehrung des heiligen Paulus“ und wurde mit 676 500 Euro (inklusive Aufgeld) zum teuersten Frühjahrs-Los.

Die Plätze sieben bis acht gehen ebenfalls nach München zu Ketterer. Im Rahmen der Schätzungen blieben zwei Gemälde von Gabriele Münter mit 390 000 respektive 366 000 Euro sowie Wladimir Bechtejeffs „Reptilien“ mit 378 000 Euro. Angesichts eines Umsatzes von zwölf Millionen Euro im ersten Halbjahr verkündet Robert Ketterer: „Einen besseren Zeitpunkt Kunst zu verkaufen, könnte es kaum geben.“ Nur die Einlieferer scheinen dem Aufschwung noch nicht zu trauen. Wozu auch derzeit Kunst in schnödes Geld umsetzen? Liquidität ist vorhanden, doch die verwandeln Sammler lieber in beständige Werte. So waren die Auftragsbücher der Auktionshäuser schon im Vorfeld bestens gefüllt.

Zu Beginn der „Ausgewählten Werke“ in der Villa Grisebach verkündete Geschäftsführer Bernd Schultz: „Wir haben so viele Telefone und Schriftgebote, 80 Prozent sind quasi verkauft.“ Zum Gesamtergebnis von 14 Millionen Euro trug nicht zuletzt Sean Scullys „Grey Fold“ bei. Mit 440 000 Euro Platz sechs und der einzige Zeitgenosse in der Top Ten, die Grisebach außerdem mit Alexej von Jawlenskys „Abstrakter Kopf: Letzte Strahlen“ bei 357 000 Euro beschließt.

Der Trend zum Telefon oder dem noch diskreteren Schriftgebot ist überall zu beobachten. Was den Häusern eine sichere Kalkulation ermöglicht, dämpft allerdings die Spannung im Auktionssaal. Der offene Wettbewerb wird mehr und mehr gemieden. Wobei manch einer im Saal sitzt und trotzdem telefonisch bieten lässt. Nicht anwesend war der Polke-Liebhaber, der eine auf 40 000 Euro geschätzte Gouache mit bis 175 000 Euro beboten hatte. „Der war sich sicher, dass er den Zuschlag bekommt. Am Telefon hätte er reagieren können“, so Schultz. Denn erlöst wurden 279 650 Euro.

Allemal ein Höchstpreis für eine Papierarbeit des kürzlich verstorbenen Künstlers und ein Spiegel der momentanen Lage. Rekorde werden vorwiegend im mittleren Feld verbucht, dann aber mit beachtlichen Steigerungen. Bei Lempertz kletterte Joseph Beuys' „Schlitten“, ein Multiple, von 40 000 auf 297 000 Euro.

Mit 15 Auktionen in diversen Sparten erzielte das Kölner Kunsthaus knapp 26 Millionen Euro. Ein Plus zum Vorjahr, und für Alte Kunst und Kunstgewerbe wurde der Erlös verdoppelt. Zum zweitteuersten Los der Saison wurde ein frühes Stillleben Alexej von Jawlenskys mit 570 000 Euro, und ein Aquarell von Wassily Kandinsky belegt mit 495 000 Euro Rang vier. Davor rangiert Rudolf Bauer, dessen arg an Kandinsky angelehntes Ölbild bei van Ham in Köln 538 000 Euro erzielte. Ein mit Abstand neuer Rekord für den 1939 in die USA emigrierten Künstler, und laut van Ham „das stärkste erste Halbjahr in der Unternehmensgeschichte“.

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