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Klappe zu. Rudolf Thome, Filmregisseur.

© peripher film

Doku über den Filmemacher Rudolf Thome: "Überall Blumen": Der große Unbekannte

Der deutsche Eric Rohmer? Irgendwie schon. Rudolf Thome aber siedelt ganz am Rand des Filmbetriebs. Nun hat seine Schauspielerin Serpil Turhan einen anrührenden Porträtfilm über ihn gedreht: "Überall Blumen".

Ohne Frauen könne er keine Filme machen, hat er gesagt. Genauer: Gäbe es keine, es läge kein Grund vor, überhaupt noch irgendetwas zu tun. Thome dreht alltagsleichte Ich-und-du-Filme oder vielmehr Ich-und-mehrere-Filme, aber ohne Psychologie. Rudolf Thome hasst Psychologie im Kino. „Rote Sonne“ von 1970 mit Uschi Obermaier war vielleicht sein größter Erfolg, der Geist Thomes und der Geist der Zeit verschmolzen in einer tiefen, glückhaften Symbiose. In letzter Zeit haben sich beide schmerzlich voneinander abgewandt.

28 Filme drehte Rudolf Thome bisher. Der 29. sollte „Überall Blumen“ heißen, aber die deutsche Filmförderung hat die Finanzierung von Thome-Filmen eingestellt. Doch für solche wie ihn gilt: Ich drehe, also bin ich! Wie leben, wenn der erste Teil des Satzes wegfällt?

Alltag, ja, auch Improvisation. Aber bloß keine Psychologie.

Serpil Turhan hat in mehreren seiner Filme gespielt, sie sind befreundet. Nun hat sie ihn mit der Kamera in der Hand besucht. Während Thome auf den 29. hofft, an ihm zweifelt, wieder hofft, Finanzierungsmodelle aufstellt, beobachtet ihn seine einstige Hauptdarstellerin. Das ist die existenzielle Spannung von „Überall Blumen“. Sogar den Titel nahm sie ihm weg. Hat sie gar einen Thome-Film gedreht – mit viel Alltag, Improvisation, aber bitte ohne Psychologie?

Es scheint unter deutschen Regisseuren fortgeschrittenen Alters eine Tendenz zur Alleinexistenz auf großen Bauernhöfen zu geben, Nebenberuf: Blogger, täglich. So versucht Hans-Jürgen Syberberg den Gutshof seiner Kindheit bei Demmin originalgetreu wiederzuerfinden, und Thome bewirtschaftet seinen Drei- oder Vierseithof in Brandenburg. Im März gräbt er Schneeglöckchen im Wald aus und pflanzt sie neben seinen künstlichen Teich. Serpil Turhans Kamera entgeht nichts. Auch nicht die Scheune mit den alten Filmrollen, sogar den Filmklappen, sorgfältig beschriftet, eine neue für jedes neue Werk.

Bei Rohmer wir viel mehr geredet

Manche Franzosen sagen, Rudolf Thome kopiere Eric Rohmer. Vielleicht ist sein Lebenswerk tatsächlich ein ununterbrochener Versuch, Rohmers „Conte d’été“ (Sommer, 1996) zu erreichen. So wie ja auch Rohmers Lebenswerk einen ununterbrochenen Versuch darstellte, sich selber zu erreichen. Bloß dass in Thomes Filmen nicht halb so viel geredet wird.

Die Pariser Filmzeitschrift „Cahiers du cinéma“ nannte ihn einmal „den wichtigsten unbekannten deutschen Regisseur“. Was ist das? Ein Beleidigungskompliment? Schon merkwürdig: zu Lebzeiten ein Hinterbliebener dessen zu sein, der man einmal war. Erfahren, dass niemand mehr ein Interesse hat an einem neuen Rudolf-Thome-Film. Es gibt einfachere Daseinsformen. Serpil Turhans „Überall Blumen“ ist ein berührendes Dokument des Standhaltens eines Künstlers geworden, gegenüber sich selbst – und dem unbarmherzigsten Regisseur, der uns alle richtet: die Zeit.

In Berlin in den Kinos fsk am Oranienplatz und Hackesche Höfe

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