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Ebo Taylor (r.) bei seinem Auftritt im Haus der Kulturen der Welt.

© Laura Fiorio

Ebo Taylor in Berlin: Faust in die Luft

Lässige Altmännergröße: Ebo Taylor, Urvater afrikanischer Highlife-Musik, beim Festival „Pop 16“ im Haus der Kulturen der Welt.

Vor 100 Jahren wurde Musik noch auf Wachswalzen oder Schellackplatten gebannt, und der alte Mann, der im knallbunten Dashiki-Dress über die Bühne tänzelt, ist nur schlappe 20 Jahre jünger: Ebo Taylor, der Urvater der afrikanischen Highlife-Musik, der in den 50er Jahren in Ghana seine erste Band gründete. Jetzt tritt er beim Festival „Pop 16“ auf, mit dem das Haus der Kulturen der Welt einen Blick zurück auf die Anfänge der aufgezeichneten Musik wirft.

Dabei wird die Entwicklung des Tonträgers zum Massenmedium auch mit Konzerten beleuchtet, die ganz verschiedene Stile populärer Wurzelmusik aus allen Ecken der Welt präsentieren. Zunächst treten im Foyer „The Americans“ aus Kalifornien auf und beschwören mit ihrer Old-Time-Music das Amerika der Schnapsbrenner und Flüsterkneipen, bevor der kolumbianische Cumbia-Freigeist Mario Galeano mit Mateo Rivano als „Los Guaqueros“ (Die Grabräuber) im Konzertsaal den vergessenen Bambuco- Stil mit einer audiovisuellen Klappercollage aus dem Laptop in die Gegenwart rettet.

Uptempo-Arrangements gauckeln einem vor, dass zwei oder drei Bands zugleich spielen würden

Höhepunkt der Eröffnung ist aber der Auftritt von Ebo Taylor, dessen Musik problemlos mit der hiesigen Jugend korrespondiert, während in Ghana eher Hiplife gehört wird, eine elektronisch produzierte Musik, die amerikanischen HipHop-Vorbildern nacheifert. Im Gegensatz dazu hat Taylor sein Comeback jungen Musikliebhabern aus dem Westen zu verdanken, die auch dafür sorgten, dass der Highlife-König aus Accra zuletzt mit der Berliner Band „Afrobeat Academy“ zwei tolle Platten eingespielt hat, die ihn nach jahrzehntelanger Nichtbeachtung erstmalig auf westliche Bühnen gebracht haben. Diesmal hat der 80-jährige Sänger und Gitarrist sein neunköpfiges Bonze-Konkoma-Ensemble aus der Heimat mitgebracht und widmet sich beim ersten Song dem in den 1920er Jahren in Ghana beliebten Konkoma-Sound, einer frühen Form der Highlife-Musik, die mit traditioneller Trommelbegleitung und typischem Call-&-Response-Gesang aufgeführt wird. Dann reckt er jubilierend die Faust in die Luft und dirigiert seine Musiker mit lässiger Altmännergröße durch vertrackte Uptempo-Arrangements, die einem vorgaukeln, da spielten zwei oder drei Bands gleichzeitig: Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboards, Perkussion, Trompete und Posaune. Angetrieben durch rastloses Getrommel mischen sich Taylors griffige Soulstimme und sein funkelndes Gitarrenspiel mit einer Menge anderer Geräusche zu einem vielschichtigen, auf pausenloses Spiel angelegten Brodelsound, durch den nicht nur traditionelle Fante-Gesänge, sondern auch Reste jamaikanischer Calypso-Rhythmen und die Swingmusik der einst in Ghana stationierten US-Soldaten schimmern. Funky Melodien erklingen zu modalen Jazz-Figuren und immer wieder überraschen einen ratternde Trommel-Freak-Outs wie Hornissenschwärme.

Beim Über-Hit „Heaven“, der mal von R&B-Star Usher gesampelt wurde, überlässt Taylor seinen Jungs das Feld und handelt hinter der Bühne einen Kompromiss aus, dass sie noch ein wenig weiterspielen dürfen, weil die Stimmung gerade so gut ist. Außerdem haben sie sich gerade erst warm gespielt. Da wirkt er schon ein bisschen mürrisch und läuft gleich wieder weg, bevor er bei „Love & Death“ wieder selbst das Mikro in die Hand nimmt, während die Band ein letztes Mal mit dieser fröhlichen Energie zuschlägt, die das Publikum aus den Sitzen reißt und alle Anwesenden den entscheidenden Millimeter über dem Boden schweben lässt. Was für eine befreiende, aufregend entspannte Musik! Und was für ein schöner Triumph für den alten Mann, der sich im Jubelbad als Jahrhundertmusiker feiern lässt, dessen grooviges Konzept noch längst nicht verbraucht ist: Hoch soll er leben!

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