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Kultur: Echos im Spiegel - Ausweglos absurde Komik

Schon einmal gastierte Vincent Dunoyer mit einem Soloprogramm in Berlin. Da hatten Koryphäen wie Anne Teresa De Keersmaeker und Steve Paxton eigens für ihn choreographiert.

Schon einmal gastierte Vincent Dunoyer mit einem Soloprogramm in Berlin. Da hatten Koryphäen wie Anne Teresa De Keersmaeker und Steve Paxton eigens für ihn choreographiert. Jetzt eröffnete Dunoyer mit "Vanity" die Tanzreihe "Körperstimmen" im Podewil.

Eine lange Einleitung liegt der Solist am Boden, während Percussionist Michael Weilacher einen großen Gong Schwingungen versetzt. Alexandre Fostier unterlegt die Klänge mit Endlosschleifen die sich in allmähliche Verfremdungen wandeln. Echos und Spiegelungen sind denn auch Dunoyers Thema in "Vanity". Er kauert, stützt sich auf, verdreht den Körper zu bizarren Posen. Blitzartig wechselt er zwischen Beschleunigung und Verlangsamung. In der Hand hält er einen kleinen silbernen Kasten, den er in verschiedenen Winkeln zu seinen Aktionen positioniert. Kaum hat der Tänzer die Bühne verlassen, erscheint er überlebensgroß als Videoprojektion. Die in der Box verborgene Kamera hat den Tanz aufgezeichnet und gibt ihn nun, aus der Froschperspektive, wieder.

Die Idee besitzt einige Tragfähigkeit, kann doch die Kamera eine Nähe herstellen, die dem normalen Bühnenbetrachter kaum möglich ist. Tatsächlich ergeben sich in der Aufzeichnung einige interessante Augenblicke. Die bleiben jedoch eher Zufallsprodukt. Auf die Dauer der kompletten Wiederholung gesehen wirkt die Aktion allzu absehbar. Dunoyers Bewegungsmaterial ist am Ende denn doch zu begrenzt, um einem zweiten Blick standzuhalten.

Einen eher rüden Blick auf die Wirklichkeit riskiert Ruby Edelman aus Rotterdam in "Line 300". Er sperrt sich und seine beiden Mitstreiter Sergei Lozovoi und Reinier Schimmel in einen blendend weißen Knast. Da hat ein jeder sein privates Refugium. Der eine steht in einem Karree aufgeschütteter Erde und giert nach fallenden Wassertropfen. Der andere hat sich in Marmeladengläsern eine Sammlung possierlicher Kakerlaken zugelegt. Der Dritte schließlich will gleich ganz mit dem Leben abschließen und versucht sich zu erhängen. Die Zeit sinnleeren Wartens vertreiben sich die Knastbrüder mit Raufereien, bei denen sich Brutalität immer wieder der Zärtlichkeit annähert. Das Leben, scheint es, ist ein Gefängnis und der Schmerz die einzige Möglichkeit, die eigene Existenz zu bestätigen.

Edelman konfrontiert in "Line 300" jedoch nicht nur mit einer ausweglosen Situation, sondern führt sie immer wieder in eine absurde Komik. Auf dem Höhepukt der Kämpfe erklingt plötzlich der Song "Just a perfect day", und die drei Knackis präsentieren sich als schräg grölende Entertaier. The show must go on.

Norbert Servos

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