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Kultur: Ecken und Kanten

Intensiv hatte der Deutschen Beamtenbund (DBB), der als eigenständige Spitzenorganisation der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und des privatisierten Dienstleistungssektors rund 1,1 Millionen Mitglieder vertritt, darüber nachgedacht, wie er sich in Berlin präsentieren soll. Der neue Standort des DBB liegt schließlich in prominenter Lage an der Friedrichstraße, zwischen der Französischen und der Behrenstraße.

Intensiv hatte der Deutschen Beamtenbund (DBB), der als eigenständige Spitzenorganisation der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und des privatisierten Dienstleistungssektors rund 1,1 Millionen Mitglieder vertritt, darüber nachgedacht, wie er sich in Berlin präsentieren soll. Der neue Standort des DBB liegt schließlich in prominenter Lage an der Friedrichstraße, zwischen der Französischen und der Behrenstraße. "Eigenart schwebt dem DBB als Hausnummer vor, eine Gestaltung, die sich einerseits in den Kontext der Umgebung einfügt, sich andererseits auch von ihr absetzt", ließ man in einer Imagebroschüre wissen. Das lässt aufhorchen. Die neue Adresse des DBB berechtigt schließlich zu schönsten Hoffnungen: Gleich gegenüber hat Hans Kollhoff in grau steinernem Gewand gebaut und daneben steht Jean Nouvels gläsernes Kaufhaus Galeries Lafayette.

Mehrere renommierte Architekturbüros lud der DBB zu Entwürfen ein. Dabei war zunächst noch offen, ob der Altbau der ehemaligen Reichskreditanstalt von Fritz August Breuhaus de Groot aus den dreißiger Jahren erhalten werden musste. Inzwischen ist der denkmalgeschützte Altbau beseitigt. An seine Stelle ist das neue DBB-Forum nach Entwurf von Karl-Heinz Schommer getreten. Der Bonner sollte eine Architektur schaffen, "die ablesbar zeitgemäß und zukunftsorientiert ist. Sie soll modern, aber nicht modisch sein; sie soll funktional sein, sich aber im bloß Funktionalen nicht erschöpfen; sie soll den DBB repräsentieren, aber es soll eine Selbstdarstellung sein, die Selbstbewusstsein mit Zurückhaltung verbindet." Diesem überambitionierten Anforderungsprofil entsprechend entstand ein Stück Architektur, das wie mit angezogener Handbremse entworfen scheint. Die Fassade kann sich nicht zwischen Nouvel und Kollhoff entscheiden, indem sie sich sowohl steinern als auch gläsern gibt. Einer doppelgeschossigen Sockelzone schließen sich vier mit grauen Steinplatten verkleidete Geschosse an. Es folgt eine in Glas aufgelöste Staffel.

Doch der tektonischen Fassadengliederung Kollhoffs antwortet Schommer mit einer wenig überzeugenden, kleinteiligen Verteilung der Steinplatten. Sie macht die Fassade unruhig und lässt die dunkel gerahmten Fenster in einem Plattenmeer verschwimmen. Der Kontrast zur gläsernen Staffel wird so über die Maßen betont. Das wirkt eher modisch als modern.

Zur Visitenkarte für den DBB eignet sich da schon eher die große Lichthalle, wie sie heute in kaum einem großen Bürogebäude fehlt. Hier ist Vielfalt Trumpf: Jede Wand sieht anders aus. Eine Langseite ist mit hellem Holz verkleidet, die anderen wurden als offene Galerie gestaltet. Und während an der einen Schmalseite Verbindungsstege die Halle überqueren, glänzt die andere mit gläsernen Besprechungsboxen. Der Clou aber ist die aufwendige Glasdecke, die tief herunter gefahren werden kann. Dann wird die Halle zum Teil des angrenzenden Konferenzraums, der sich bis in die Hoflandschaft hinein ausbeult.

Ein solch umfangreiches Raumprogramm wäre in dem "entsorgten" Altbau freilich nicht unterzubringen gewesen. Auch die angrenzenden Altbauten entlang der Friedrichstraße hat der DBB gleich mit erworben, die Schommer in Absprache mit dem Landesdenkmalamt hergerichtet hat - darunter das Haus mit dem berühmte ehemaligen "Automatenrestaurant" des wilhelminischen Denkmalsarchitekten Bruno Schmitz, das teilweise in das DBB-Forum integriert wurde, sowie das "Haus der Demokratie" der kaiserzeitlichen Prominenten-Architekten von Kayser und Großheim.

Gleich neben dem Haus der Demokratie ist in der Behrenstraße anstelle eines postmodernen DDR-Plattenbaus ein weiterer Neubau entstanden. Dessen Büros hat der DBB an seine Einzelgewerkschaften vermietet. Hier ist es Schommer gelungen, seinen Neubau geschickt in die aufwendig dekorierte gründerzeitliche Architektur der Nachbarbauten einzupassen. Die Sockelzone vermittelt zwischen den unterschiedlich hohen Gebälkzonen der Nachbarn. Und die schlanken Betonstützen, die hinter der vorgeblendeten Glashaut einer lärmschluckenden doppelten Fassadenschale liegen, geben eine sichtbar zeitgenössische Interpretation des Themas "Stütze". Auskragende Betonelemente schließen den Baukörper auf Höhe des klassischen Gesimses ab, nur von den in der Friedrichstraße wohl unvermeidlichen Staffelgeschossen bekrönt.

Mit seiner Eigenart hätte sich dieser Bauteil als "repräsentative Hausnummer" auch an der Friedrichstraße ordentlich gemacht, doch dazu fehlte es offenbar am notwendigen Mut.

Jürgen Tietz

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