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Kultur: Ei mit Scheinwerfer

Zufriedenheit, aber keine Euphorie: Ergebnisse der Fotoauktion in der Villa Grisebach

Das Auditorium im Saal der Villa Grisebach gab sich wenig euphorisch. Die weitgehend herbstlich verhaltene Stimmung spiegelte die momentane Verfassung der Fotografie-Auktionen in Deutschland generell wider. Nach dem Höhenflug der zeitgenössischen Fotografie im vergangenen New Yorker Auktions-Herbst scheint sich die Spreu vom Weizen zu trennen. Drittklassige Einlieferungen quittieren die Käufer mit Reserviertheit. So vermerkte Van Ham, Köln, im Nachbericht zur Oktober-Auktion mangelndes Interesse gerade im unteren und mittleren Preisbereich. Womit sich Alfred Stieglitz’ Diktum von 1909, dass eben nicht jeder zum Künstler wird, der „zu Weihnachten eine Kodak-Kamera geschenkt“ bekommt, einmal mehr bestätigt.

Spezialisten wie der seit zwei Jahren in Berlin ansässige Galerist Rudolf Kicken oder das auf Fotografie abonnierte Münchener Auktionshaus Schneider-Henn sehen jedoch eine grundsätzliche Markt-Konsolidierung, bei der „gute Arbeiten blendend verkauft“ werden, das Mediokre aber liegen bleibt „wie sauer Brot“. Gefragt ist Qualität, und so fanden auch in der Villa Grisebach knapp die Hälfte der Lose – analog zu den jüngsten Ergebnissen des Kölner Kunsthauses Lempertz – zwar keinen Abnehmer, dafür wurden die Offerten im fünfstelligen Bereich allesamt innerhalb der Taxen zugeschlagen. Paul Outerbridges „Egg in Spotlight“ konnte die Erwartungen von 14000 bis 18000 Euro sogar spielend überrunden. Für 24000 Euro sicherte sich ein Bieter im Saal das Unikat aus dem Jahre 1928 gegen ein Telefon.

Unbestrittener Spitzenreiter des Nachmittags war Karl Blossfeldt. Die seltene „Seidenpflanze“ aus dem Nachlass erlangte den höchsten Einzelzuschlag und ging für 35000 Euro an einen Privatsammler aus Florida. Auch Blossfeldts späterer Kontaktabzug eines „Winterschachtelhalms“ fand für erwartete 16000 Euro einen Liebhaber. Den zweiten Platz bei den Zuschlägen nahm Paul Strands „Gasp“-Vintage mit erwarteten 28000 Euro ein. Ansonsten zeigten sich die Freunde der Neuen Sachlichkeit wählerisch: Drei Pflanzenmotive von Albert Renger-Patzsch fielen selbst zwischen 2000 und 4000 Euro durch, der „Wall in Lübeck“ sowie die „Angler am Rhein bei Duisburg“ wurden mit jeweils 3500 Euro unterhalb der Schätzpreise verkauft.

Auch die „Subjektive Fotografie“ der deutschen Nachkriegszeit wurde kritisch aufgenommen. „Die Bäume vor meinem Fenster“ von Otto Steinert – dessen „Lampen der Place de la Concorde 3“ bei Lempertz den Höchstpreis von 20000 Euro erzielten – erreichten mit 5000 Euro lediglich die untere Taxe. Drei künstlerische Fotografien von Peter Keetman, Steinerts Mitstreiter in der Gruppe „fotoform“, blieben innerhalb der Schätzungen, während seine „Hände“ von 1948 niemanden zu überzeugen vermochten. Aus dem weiteren Umfeld von „fotoform“ konnten Siegfried Lauterwasser und Toni Schneiders nur partiell reüssieren, und selbst Heinz Hajek-Halkes spitzfindige Belichtungsmontage „Die üble Nachrede“ wurde unter Vorbehalt veräußert.

Zum Überraschungs-Los avancierte „Co-Op: Interieur“, das der Bauhaus-Architekt Hannes Meyer 1926 gemeinsam mit dem Fotografen Carl Hoffmann arrangiert hat. Während eines spannenden Gefechts zwischen Saal- und Telefonbietern stieg das schalkhafte Kabinettstück von taxierten 3000 bis 5000 Euro auf 12000 Euro, für die es schließlich dem Berliner Galeristen Hendrik Berinson im Saal zugeschlagen wurde. Berinson ersteigerte gegen zwei Telefonbieter auch John Heartfields „Das Kreuz war noch nicht schwer genug“. Die 1933 aufgenommene bitter-ironische Fotomontage, in der ein Nazi das Christus-Symbol zum Hakenkreuz umwerkelt, konnte die Schätzung bei einem Ergebnis von 10500 Euro solide verdoppeln.

Ebenfalls heftig umworben war Helmut Newtons Diptychon „Brescia, Italy, 11 o’Clock, Dressed/Brescia, Italy, Midday, Nude“ (Taxe 5000 bis 7000 Euro), für das ein amerikanischer Sammler 12500 Euro bot. Während Alexander Rodtschenkos „Radiostation“ erwartete 3500 Euro brachte, fand sein Moskauer „Briansker Bahnhof“ (Taxe 4000 bis 6000 Euro) keinen Zuspruch.

Divergent gestalteten sich die Verhandlungen der zeitgenössischen Fotografie. Während die Becher-Schule in New York Traumergebnisse erzielte, blieb Andreas Gursky in Berlin ebenso zurück wie die „Alten Sonnenblumen“ von Thomas Struth, dessen Shanghai- Ansicht nur knapp zur unteren Taxe von 5000 Euro zugeschlagen wurde. Auch der Turner-Prize-Träger Wolfgang Tillmans konnte Erwartungen zwischen 3000 und 6000 Euro nicht erfüllen.

Insgesamt jedoch gibt man sich in der Villa Grisebach bei einem Gesamtumsatz von 545000 Euro durchaus zufrieden, mit dem zumindest das untere Schätzvolumen nur knapp verfehlt wurde.

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