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Kultur: Eiertanz Ausländer und Terroristen: „Invasion!“ im HAU 3

Am Anfang ist das Wort: „Abulkasem“. Es ist der Name einer Figur aus dem Stück „Signora Luna“ des schwedischen Schriftstellers Carl Jonas Love Almqvist.

Am Anfang ist das Wort: „Abulkasem“. Es ist der Name einer Figur aus dem Stück „Signora Luna“ des schwedischen Schriftstellers Carl Jonas Love Almqvist. Mehr nehmen die Jungs, die da zum Theaterbesuch verdonnert wurden, nicht mit aus der Bildungsanstalt, bloß dieses Wort finden sie geil. Abulkasem wird zum Synonym für ziemlich alles, es kann ein Adjektiv sein („Shit, ich bin koma abulkasem“), oder auch eine Beleidigung („Mach hier nicht den Abulkasem!“). Einer der Jungs benutzt es als Tarn-Identität, eine muslimische Regisseurin heißt so, und bald verbirgt sich dahinter der meistgesuchte Terrorist der Welt.

Abulkasem, das ist so eine Art MacGuffin in dem Stück „Invasion!“ des Stockholmer Autors Jonas Hassen Khemiri, der eine schwedische Mutter und einen tunesischen Vater hat und dessen Roman „Das Kamel ohne Höcker“ ein Bestseller war. Khemiris Theaterdebüt im HAU 3 erzählt eine absurde Parabel auf Identitäts-Chimären und Terror-Paranoia. Angesiedelt in einem Milieu, um das die Mehrheitsgesellschaft einen Eiertanz veranstaltet – Gastarbeiter, Ausländer, Einwanderer, Migranten, was darf’s sein? Khemiri veralbert die Hysterie der Xenophobiker wie das Umarmungs-Geschwafel der Gegenseite.

„Invasion!“ ist bei Neco Çelik in guten Händen. Der türkischstämmige Regisseur spult den Text in zügigen 70 Minuten ab. Ihm genügen vier Schauspieler in 16 Rollen und eine weiße Wand, um von Projektionen zu erzählen, die in die Groteske führen. Er inszeniert frontal, rotzig, pubertär. Am Ende steht ein Monolog des jungen Younes Hussein: Da wird ein Mann beobachtet, der Opfer einer tragikomischen Abulkasem-Verwechslung geworden ist, und seine Hand auf die heiße Herdplatte presst – ein Versuch der finalen Identitätsauslöschung. Patrick Wildermann

Wieder heute und morgen, 20 Uhr.

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