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Kultur: Ein Abend, eine Nacht, ein früher Morgen

Auch Stars fangen klein an. Und finden ihre Anfänge manchmal peinlich. Leonardo DiCaprio verhindert die Aufführung von RD Robbs „Don’s Plum“ in Amerika bis heute. Umso schöner, dass man den Film hier sehen kann

Ein schmutziger kleiner Film für eine Nachtvorstellung ist das, wenn es denn Nachtvorstellungen noch gäbe. Du ziehst mit Freunden um die Häuser, vorher beim Falafelladen, nachher vielleicht noch zu dir oder zu mir oder auch zu dir oder dir, jetzt aber mit’m Sixpack von der Tankstelle vorbeigucken bei „Don’s Plum“. Da sitzen sie alle schon, Tobey und Leonardo und die beiden anderen Typen, ach richtig, Scott und Kevin heißen sie, und nicht zu vergessen die Mädchen, Jenny und Amber und Meadow, und reden und reden und reden. Haben wahrscheinlich schon vor Stunden mit angefangen, wie sie da runtergucken von der dauerüberbelichteten Schwarzweißleinwand runter in den dauerunterbelichteten Kinosaal, ach was Kinosaal. Sollte eher so’n altes Schlauchkino sein mit verschossenem Plüsch überm Holzsessel, da sitzen wir dann und trinken Beck’s und gucken denen da oben zu, wie sie die Nacht verlabern und auf den Morgen warten, denn worum geht es schließlich sonst im Kino und im Leben: dass man die Zeit so gut wie möglich rumbringt immer wieder bis zum nächsten Morgen.

„Don’s Plum“ ist Dons Diner, was sonst, und Don ist übrigens trotz allem ganz okay. Da treffen sich Tobey und Leonardo mit Scott und Kevin jeden Sonnabend, und alle haben ihr Mädchen dabei. Na ja, ihr Mädchen ist es meistens nicht, sondern mehr so was Aufgegabeltes, Tobey hat seine vorhin aufgegabelt in diesem irren Jazzclub, da kellnert sie gerade, Kevin hat eine in seinem Jeep mitgenommen, den er so waaahnsinnig toll findet, Scott hat seine, auch’ne ziemlich Zufällige, immerhin nicht von der Bettkante geschubst, nur Leonardo ist wieder mal alleine da, schon wieder allein. Und wird gleich Stress machen, so kennen wir ihn, Kevins Anhalterin ärgern zum Beispiel und beschimpfen, bis ihr die Tränen kommen und sie irgendwann aufsteht und wegläuft und tschüss. Na und dann wird der Abend eben auch ohne dieses Mädchen weitergehen, wie alle Abende immer irgendwie weitergegangen sind bis zum nächsten Morgen, wär’ doch gelacht, wenn Abende plötzlich nicht mehr weitergehen würden bis zum nächsten Morgen, nur weil Leonardo wieder mal ’n bisschen austickt und so.

Andererseits, fies ist er ja schon, Leonardo, aber irgendwie auch klasse, wie er so fies ist, und vielleicht hat ihm das ’n bisschen Angst gemacht damals nach „Titanic“, wo er doch mit einem Zufallsmädchen namens Kate plötzlich der Schwarm von so ungefähr 750 Millionen Mädchen auf der ganzen Welt war, hat er also vielleicht doch Panik geschoben oder zumindest sein Studio: dass er da so fies war in „Don’s Plum“ wie auch später in Woody Allens „Celebrity“, aber halt, das war wirklich später, so’n richtig verlorener Fiesling, der Mädchen zum Heulen bringt oder flachlegt und gleich wieder rausschmeißt, bis sie dann alle plötzlich echt draußen stehen vor „Don’s Plum“ und sich prügeln, ja, echt prügeln, na ja, für die Kamera wenigstens, immer weiter in diesen frühen Morgen rein. Einer namens RD Robb hat diesen kleinen schmutzigen Schwarzweißfilm gemacht 1995 und nachher keinen einzigen mehr, da war er Anfang Zwanzig wie alle seine ziemlich unbekannten Helden, aber Leonardo hat dann bald die Notbremse gezogen, so fest, dass der Film bis heute in den USA und Kanada nicht gezeigt werden darf, weil Gemeinheit ist schlecht fürs Image, Gemeinheit, die so gut gespielt ist, dass sie gleich wieder als echt durchgehen könnte, und wie soll das dann alles noch passen, wo der Tobey doch so kuschelsüß ist und der Leonardo erst recht?

So’ne Sachen gehn dir durch den Kopf, während du zuguckst in unserer geträumten Mitternachtsvorstellung und so mit einem Ohr hörst, was die da reden, aber so ähnlich reden wir ja selber, gerade eben noch im Falafelladen oder nachher zu dir oder zu dir mit Kevins Jeep, obwohl, den Jeep hat die Anhalterin ja mit’m Baseballschläger zertrümmert nachher, der scheidet also aus. Kein wirklich schlechter Film, dieser „Don’s Plum“, denken wir, während die da über Sex und Drogen reden und die große Schauspielkarriere, hach, haste gesehen, wie Kevin sich da von der besoffenen Produzentin küssen lässt, und über Alleinsein und Eltern, naja Scheißeltern eben, wie man so redet, wenn viele Leute am Tisch sitzen, die sich gar nicht richtig kennen, aber der Abend muss schließlich erstmal irgendwie weitergehen. Und dann sehen wir sie auch immer wieder mal vorm Spiegel im Klo, Selbstgespräche führen, und das Klo so’ne Blackbox zum Ausheulen wie bei „Big Brother“, obwohl „Big Brother“ kam ja viel später, wie überhaupt manches viel später kam, was in „Don’s Plum“ schon vorkommt, weshalb „Don’s Plum“ eigentlich sensationell ist, dieser Film, der ewig nicht fertig geschnitten wurde und dann 2001 plötzlich auf der Berlinale gezeigt, Berlin ist immerhin nicht USA oder Kanada.

Aber jetzt sind wir selber auch schon wieder weiter, „Big Brother“ ist lange her und sein sensationeller Vorläufer noch viel länger, und der Verleih, der „Don’s Plum“ in Deutschland 2001 ins Kino bringen wollte, schon hundert Jahre pleite, und Tobey Maguire ist sowieso „Spider Man“ und Leonardo ist der Typ aus „Gangs of New York“ und alle die andern von „Don’s Plum“ sind eher verschwunden – alles neun Jahre her, dein Film, oder 999, stimmt’s, RD Robb? Haste gut gemacht damals, RD, aber komm, verschwinden wir auch, lass sie weiterreden die beiden Berühmten da, die dir deinen Film weggenommen haben für USA und Kanada, komm mit, RD, wir feiern dich jetzt einfach mal für deinen kleinen, deinen schmutzigen, deinen sensationell gewesenen Film und lassen die da oben weiterlabern auf der Leinwand bis in ihren frühen Morgen.

Central, Eiszeit (OV), Xenon

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