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Kultur: Ein Blumenmeer

Solide Gewinne, ein Rekordpreis: die Frühjahrsauktionen in der Villa Grisebach

100 Prozent Zuschlag für die Sammlung Claudia von Schilling – der Applaus für das morgendliche Vorspiel in der Villa Grisebach war mehr als verdient. Denn die 114 Losnummern erzielten zudem bisweilen enorme Steigerungen: Horst Antes unbetitelte Figur in Rot-Blau (Taxe 14000 Euro) etwa fand für 65900 Euro einen Liebhaber. Von Schilling, deren Wirken von 1990 bis zu ihrem Tod im letzten Jahr der Grisebach-Repräsentanz in der Schweiz und Italien galt, sammelte nicht nach stilistischen Aspekten, sondern stellte das Motivische und die Qualität ins Zentrum ihrer spürbaren Leidenschaft. Neben Arbeiten von Protagonisten der klassischen Moderne wie Alexej von Jawlenskys „Georginen im Glas“ (133750 Euro) oder Emil Noldes „Sonnenblumen und Dahlien“ (129150 Euro), waren gerade die weniger klingenden Namen umworben: Jean Metzingers „Junge Frau mit Obstschale“ reizte einen Händler aus Chicago, von geschätzten 25000 bis zu 105000 Euro zu bieten, und ein „Sitzender Akt“ des Holländers Armand Bouten, mit 2000 Euro bewertet, stieg in 500er-Schritten auf 28910 Euro. Mit einem Gesamterlös von 2,1 Millionen Euro, der zum überwiegenden Teil an die Claudia von Schilling Breast Cancer Foundation geht, wurde der ursprüngliche Schätzwert verdoppelt.

Die Traumquote wurde am Abend bei den „Ausgewählten Werken“ zwar nicht erreicht, aber das Wetteifern um die 83 Lose gestaltete sich dank einer quicklebendigen Käuferschar in beiden Sälen und zahlreichen Telefonbietern nicht minder spannend. 78,3 Prozent der Werke wechselten nach teils hartnäckigem Ringen die Besitzer. Die üblichen Spielregeln, mit Preissprüngen um jeweils zehn Prozent des vorangegangenen Gebots, wurden mehr als einmal außer Kraft gesetzt. Geduldig folgte Peter Graf zu Eltz am Pult selbst im sechsstelligen Bereich den Bietern in ihrer Politik der kleinen Schritte: „Solange es nicht rückwärts geht“, kommentierte der Auktionator das Feilschen in 2000-Euro-Stufen um Oskar Schlemmers „Rote Gruppe, Kleinbild IV“, das ein deutscher Sammler beim Hammerpreis von 174000 Euro für sich entschied.

Glanzlicht der Hauptauktion war Keith Harings „Untitled“ von 1987. Mit einer Taxe von 500000 bis 700000 Euro hatte man in der Villa Grisebach hoch gepokert, doch die Risikobereitschaft – auch des Vorbesitzers – wurde belohnt; denn wer auf Nummer sicher gehen will, liefert bedeutende Werke der zeitgenössischen Kunst in der Regel bei den renommierten New Yorker Auktionen ein. Harings kapitale Leinwand behauptete ihre Spitzenposition und übertrumpfte mit 519000 Euro, die ein französischer Händler gewährte, sogar den im Mai bei Sotheby’s aufgestellten Weltrekord für den 1990 verstorbenen Künstler.

Die Erwartungen erfüllen konnte auch eine fünfteilige Max-Liebermann-Suite: von einem Zeichenporträt Walther Rathenaus, dessen Taxe ein Londoner Sammler mit 51900 Euro verdoppelte, bis zu dem anrührenden Genrebild „Frau mit Wiege“, das mit 266000 Euro im Rahmen des Schätzwerts zugeschlagen wurde. Paula Modersohn-Beckers „Stillleben mit Kohl und grünen Bohnen II“ erzielte 289 000 Euro; gleichauf mit „Tulpen, Flieder und Kalla“ von Lovis Corinth, das an einen französischen Privatsammler ging.

Auch die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts sowie der „Third Floor“ mit Schätzpreisen bis 3000 Euro bescherten manch deutlichen Zuwachs. Als Resümee aller fünf Auktionen verzeichnet die Villa Grisebach mit einem Bruttoumsatz von 11,5 Millionen Euro einen soliden Anstieg der Vorjahresergebnisse, im Vergleich zum Frühjahr 2003 gar um glatte 25 Prozent.

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