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Kultur: Ein Hammerkünstler

Damien Hirst überlässt den Profit nicht länger den Auktionshäusern und versteigert seine Arbeiten selbst

Nie gab es bei Sotheby’s einen solchen Rummel. Beim Pressetermin mit Damien Hirst stürmten Fotografen durch die vom Alter geadelten Räume in London. Wie eine Filmdiva posierte der Künstler vor dem in Formaldehyd eingelegten Zebra (2-3 Millionen Pfund), schmiegte er sich an den Engel aus Carrara-Marmor mit geöffneter Bauchdecke und dem Titel „Anatomie eines Engels“ (1-1,5 Millionen Pfund) und trat vor die Starobjekte: die Haifischvitrine „The Kingdom“ (4-6 Millionen Pfund) und den grandiosen Charolais-Bullen, der wie eine Primaballerina auf goldenen Hufen in seinem Aquarium tänzelt. Das neue chef-d’oeuvre des Künstlers soll bis zwölf Millionen Pfund kosten. Mit dem biblischen Titel „Das goldene Kalb“ bildet es das finanzielle und spirituelle Zentrum der großen Hirst- Auktion in der nächsten Woche.

„Wir sind optimistisch. Das Marketing für eine solche Auktion ist viel einfacher“, strahlt Sotheby’s-Experte Oliver Barker. Dann ruft Hirsts Manager Frank Dunphy an. „Gute Nachrichten!“, ruft Barker noch ins Handy, bevor er sich für ein geschäftliches Gespräch zurückzieht. Dunphy, der früher Striptease-Tänzerinnen bei der Steuererklärung half, ist die treibende Kraft der Auktion, die das Regelbuch des Kunstmarkts neu schreiben will. Er brachte Hirst bei, keine Angst vor Geld zu haben, drückte in harten Verhandlungen die Tantiemen der Galeristen auf ein Minimum und hatte die Idee zu diesem Fabrikverkauf. Medienwirksam ließ er nun verbreiten, Hirst sei bereits Dollarmilliardär.

223 Werke versteigert der Künstler auf eigene Rechnung. Zwei Tage, drei Kataloge, eine Umsatzschätzung von 65 Millionen Pfund. Vom Dot-Painting auf Goldgrund bis zum Bullen, alles eigens in einem seiner sechs Studios angefertigt. So brechen Hirst und Sotheby’s im Schulterschluss ein bis vor kurzem noch unantastbares Gesetz: dass Auktionen sich auf Gebrauchtware beschränken und den so genannten Primärmarkt dem Galeriehandel überlassen.

Weshalb? Geldgier und Hybris sagen die einen. Hirst will sein 300-Zimmer-Schloss Toddington für seine Kunstsammlung herrichten, die von Massaccio bis zu seinen großzügig unterstütztenGenerationsgenossen reicht. Vor zwei Jahren kaufte er für 33 Millionen Dollar ein Selbstporträt seines Künstlervorbilds Francis Bacon. „Wenn ich jetzt alles verkaufe, kann ich mir ein Triptychon von Francis Bacon leisten", schwärmte Hirst. Er zerstöre den Galeriebetrieb, wird gewarnt. Was ist mit den Galerien, die Künstler pflegen und heranreifen lassen, ihre Namen in Umlauf bringen, ihre Werke erklären und so den Wert ihrer Kunst im Markt erst schaffen und sichern, wenn die Stars ihre Vermarktung nun selber in die Hand nehmen?

Andere glauben, Hirst beschädige mit der Massenflut an Ware naiv seinen eigenen Markt. Bereits Im Dutzend staple sich unverkaufte Ware in den Galerien, meldete „Art Newspaper“.

Aber Hirst setzt nicht nur auf eine neue, schon wegen des historischen Charakters dieser Auktion begehrenswerte und exzeptionelle Werkgruppe, sondern auf das, was er das „Demokratische“ einer Auktion nennt. Keine Wartelisten, keine Schwänzeltänze um hochnäsige Galeristen. Jeder ist dabei, der Geld in der Tasche hat und die Hand heben kann. Kunstkauf ohne Schnickschnack und Mittelsmänner. Im Zeitalter der globalen Kunstindustrie, wo Kunst in Fabriken produziert und von globalen Galerienetzwerken wie Markenartikel gehandelt wird, sei das Van-Gogh-Modell des Kunstmarktes nicht mehr passend, argumentiert Hirst. Er will das Image vom weltfernen Handwerker-Künstler zerstören, der nichts vom Geld versteht, die Geschäfte den Galeristen überlässt und erst Geld verdient, wenn er schon tot ist. „Mein Ziel ist es, den Primärmarkt teuerer zu machen“, sagte Hirst der Sunday Times. Wie Autos, Prada-Blusen oder auch Ikea-Schränke soll Kunst beim ersten Verkauf am meisten kosten. Der Produzent, nicht der Händler, solle am meisten verdienen.

Die Frage ist nun nicht, ob Hirst die Ware an den Mann bekommt. Sondern was passiert, wenn die Auktionshäuser noch ein bisschen mächtiger werden und die Kunst wieder ein bisschen von ihrem Anspruch verliert, etwas anderes als bloße Konsumware zu sein.

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