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Kultur: Ein Hauch von Glyndebourne

"Wie schön ist es hier.Wie zwitschern die Vögel".

"Wie schön ist es hier.Wie zwitschern die Vögel".Nicht nur Blondchen ist begeistert vom Garten des Bassa Selim.Sommernacht am See, dunkler Wald und helle Sterne.Fackeln im Park, Springbrunnen, Feuerwerk und bunt bestrahlte Bäume.Schloß Rheinsberg erglüht im Abendsonnenschein.Hier und da promenieren festlich gekleidete Besucher durch den Park.Im barocken Heckentheater auf der Ostseite des Schlosses entsteht unter Regie von Friedrich Meyer-Oertel für einige Stunden die Illusion einer Liebhaberaufführung am Fürstenhof.

So muß es gewesen sein, zu Prinz Heinrichs Zeiten.Am Musenhof, den Friedrich II.und sein Bruder Mitte des 18.Jahrhunderts hier gründeten.Das Heckentheater, nun glanzvoll zu neuem Leben erwacht, wird so manche Liebhaberaufführung gesehen haben.Wird auch jene Mischung aus liebenswerter Provinz und internationalem Anspruch kennen, die heute ein anderer Fürst hier verbreitet: Siegfried Matthus (für dessen Verbleib als künstlerischer Leiter der Kammeroper die "Bürgerinitiative pro Matthus" am Rande Stimmen sammelt) lädt seit acht Jahren zum "Internationalen Opernfestival zur Förderung junger Stimmen".

Ein Hauch von Glyndebourne, sollte man denken, angesichts der aufwendig beworbenen und gesponsorten Veranstaltungsreihe.Konzert mit Picknick am See, internationale Stars in ländlicher Atmosphäre, ein Treffpunkt für Musikfreunde in der Sommerfrische.In Rheinsberg aber, und das ist das Schöne, ist es höchstens ein Nachwuchs-Glyndebourne.Matthus sammelt in seiner Kammeroper junger Sänger aus aller Welt um sich, für die der Auftritt in Rheinsberg zum Teil der erste große Part ist.

Junge Stimmen also für Mozarts spielerische Jugendoper.Und Spaß am Spiel sieht man ihnen an, dem Ensemble der "Entführung aus dem Serail": Friedemann Röhling, ausgestopft als Osmin, schiebt mit seinem sonoren Baß Belmonte und Pedrillo nicht nur stimmlich mühelos vor sich her, findet mit Grimassen und Wutausbrüchen die richtige Balance zwischen Witzfigur und traurigem Verlierer.Das Bacchus-Duett entwickelt er mit Matthias Wohlbrecht als Pedrillo zum reinen Slapstick.Madelaine Wibom, im dritten Studienjahr der Opernschule Stockholm, tritt in weißem Kleid und Sonnenschirm auf, als entspringe sie einem Monet-Gemälde, und nimmt Konstanzes anspruchsvolle Koloratur-Arien entschieden, wenn auch etwas fest.Nur Peter Frost als Belmondo hat stimmlich zu kämpfen: Blasser schlug nie ein feuriges Herz.

Der Star des Abends aber ist, von Anfang an, Camilla Tilling als Blonde.Ein lockerer, luftiger Sopran und ein ungestümes Temperament machen die Schwedin zum Liebling des Publikums."Welche Wonne, welche Lust" trällert sie ausgelassen, mitreißend natürlich.Gegenüber ihrem tyrannischen Herrn Osmin ist sie von keckem Vorwitz und selbstbewußter Freiheit.Wie ein Schmetterling in zitronengelbem Kleid umflattert sie die Szenen, mit einer körperlichen Leichtigkeit und Unbeschwertheit, die der stimmlichen korrespondiert.Und wenn sie mit schwedischem Akzent betont: "Ich bin eine Engländerin", hat sie die Lacher auf ihrer Seite.

Mit der Aussprache haben sie alle zu kämpfen, die jungen Sänger aus dem Norden Europas.Das deutsche Libretto hat so manche Stolpersteine für die dänischen und schwedischen Zungen bereit, führt zu liebenswerten Versprechern.Für akustische Verständlichkeit dagegen ist gesorgt: Orchester und Gesang werden per Mikrophon übertragen.Ein Alptraum für Musikfeinschmecker.Das knistert, rauscht, verzerrt und verdoppelt zuweilen, und wirkt gerade bei der Ouverture der Brandenburger Sinfoniker wie Musik aus der Konserve.Aber es verhindert, daß sich die Stimmen und Töne in den Weiten des Parks verlieren.Prinz Heinrichs Heckentheater wurde nicht für konzertsaalverwöhnte Ohren geschaffen - und nicht für 800 Zuschauer, die sich am ausverkauften Premierenabend auf engen Bänken bis in die letzte Reihe drücken.

Wo aber Stimmung und Kulisse stimmen, was kann da fehlen? Spielen die Brandenburger Sinfoniker unter Leitung von Richard Bradshaw streckenweise etwas schwunglos? Wackeln die Stimmen in der Höhe? Wirken die vermummten Statisten wie dem Kostümfundus entsprungen? Einerlei.Auch Mozarts Oper ist Kolportage, zeigt eine Papp-Türkei, die für "Fremde" steht.Und hat wahrscheinlich - erfolgreichste Oper ihrer Zeit - schon viele solcher Aufführungen gesehen, an kleinen Fürstenhöfen, mit jungem Ensemble, vor begeistertem Publikum.Kein Welttheater also, auch nicht im Bühnenbild, das mit den einfachsten Mitteln auskommt.Aber ein sommerlich-leichter Musikgenuß.Rheinsberg, das ist für Entdeckungen gut, manchmal auch für Enttäuschungen.Auf jeden Fall für eine Reise.

Weitere Vorstellungen vom 28.Juli bis 1.August.Alle Aufführungen sind bereits ausverkauft.

CHRISTINA TILMANN

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