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Kultur: Ein Hippie namens Hitler

Klon eines Klons: Susan Stroman verfilmt Mel Brooks Musical-Remake „The Producers“

Möglicherweise lag ein Missverständnis vor, als sich die Darstellerriege von „The Producers“ letztes Jahr in den Steiner Studios in Brooklyn einfand, um das erfolgreiche Musical dort zur Aufführung zu bringen. Uma Thurman stieß dazu, außerdem zwei arrivierte Kameramänner mit Arbeitsgerät. Aber keiner hat ihnen offenbar mitgeteilt, dass sie für einen Film spielen, und von selbst sind sie wohl auch nicht darauf gekommen.

Wie auch – einen Film gibt es ja schon. Mit „The Producers“ begann 1968 die Karriere des unerschrockenen Geschmacksverächters Mel Brooks – ein verwegenes kleines Meisterstück, das eindrucksvoll demonstrierte, wie man das politisch Unkorrekte, die derbe Zote und jüdischen Showbiz-Humor in eine überraschend raffinierte Form bringen und die Sympathien des Zuschauers selbst für zwei so hässliche, verzweifelt-verschlagene, spuckende und schwitzende Protagonisten gewinnen kann.

Der schmierige Broadway-Produzent Max Bialystock schläft mit alten Damen, damit sie seine Stücke bezahlen, und der nervöse Buchhalter Leo Bloom hält sich an einer kleinen blauen Decke fest, um sich seiner Panikattacken zu erwehren. Gemeinsam wollen sie die Damen um ihr Geld prellen – mit einem todsicheren Flop, dem Neonazi-Musical „Springtime for Hitler“. Ihr ausgeklügelter Plan hat eines allerdings nicht auf der Rechnung: den schlechten Geschmack des New Yorker Premierenpublikums. Und so werden die beiden vom Erfolg des Stückes kalt erwischt. „The Producers“ war zu seiner Zeit nur ein mittlerer Erfolg, gewann über die Jahre aber eine stetig wachsende Anhängerschaft. Heute gilt der Film als Klassiker.

Mel Brooks gelangen noch zwei recht komische Filme. Seitdem bringt er nur noch ratlosen Klamauk zustande, etwa „Robin Hood – Helden in Strumpfhosen“. 2001 kehrte er zu den Wurzeln zurück und tat das Naheliegende: Er verwandelte seinen Film über ein BroadwayMusical in ein Broadway-Musical. Das Stück wurde so erfolgreich, dass es verfilmt werden musste, zumal nach dem Erfolg von „Chicago“. Die Tatsache, dass es eine Verfilmung des Stoffes längst gab, störte nicht weiter, und sogar Brooks selbst beteiligte sich als Produzent. Das Ergebnis ist der Klon eines Klons. Mit Film hat es nur sehr wenig zu tun.

Kann sein, dass man den Charme der Aufführung bewahren wollte (von dem gleichwohl nichts durchscheint). Kann aber auch sein, dass das Ding nur schnell hingehudelt wurde, in einer Theaterpause sozusagen. Regisseurin Susan Stroman, die das Stück am Broadway mit großem Erfolg auf die Bühne brachte, mag eine gute Choreographin sein – mit einer Kamera weiß sie nichts anzufangen. Die Darsteller springen wild grimassierend und gestikulierend durch die Kulissen, sie reißen die Augen auf und schreien herum. Vor allem Matthew Brodericks hysterische Übertreibungen haben etwas erschreckend Mechanisches – ganz so, als sei er vor lauter Routine selber gar nicht mehr anwesend.

Im Kino sitzend und den Film erleidend, fühlt man sich ungefähr so, als säße man mit einem Feldstecher in der ersten Reihe des Theaters – zudem in einer Vorführung für Schwerhörige. Nichts ist geblieben von der raffinierten Dosierung der Anzüglichkeiten und politischen Frivolitäten, die das boshafte Original so sehenswert machte. Eine zentrale Pointe etwa, die Darstellung Hitlers durch einen kaputten Hippie namens L.S.D., verwandelt sich hier in homophob-verklemmten Schwulenklamauk. Damit wir uns recht verstehen: Es spricht nichts gegen Remakes, auch nicht, wenn es sich um das eigene Werk handelt. Restspuren kreativer Ambition möchte man darin als Zuschauer allerdings durchaus entdecken können.

Wer unbedingt eines der erfolgreichsten Musicals der letzten Jahre sehen will, ohne dafür nach New York zu fahren, noch dazu für einen moderaten Eintrittspreis, mag den Besuch von „The Producers“ mit einem gewissen Gewinn in Erwägung ziehen. Er setze sich dann allerdings in die allerletzte Reihe, schließe die Augen und halte sich die Ohren zu.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Cinestar SonyCenter, Cubix am Alex, Kant, Kinowelt Friedrichshain, Rollberg

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