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Kultur: Ein Käfig voller Künstler

Man stelle sich vor: James Joyce, Marcel Duchamp und Erik Satie wären einmal aufeinandergetroffen..

Von Sandra Luzina

Man stelle sich vor: James Joyce, Marcel Duchamp und Erik Satie wären einmal aufeinandergetroffen... Vorgestellt hat sich dies der Komponist John Cage, der die drei von ihm verehrten Künstler zu einem imaginären Stelldichein versammelt. Und eine Geisterstunde der amüsanten Art abhält: zu dem künstlerischen Dreigestirn treten noch weitere Figuren hinzu, stumme Gefährten oder bekannte Zeitgenossen wie Henry Thoreau oder Robert Rauschenberg. "James Joyce, Marcel Duchamp, Erik Satie: an Alphabet" entstand als Hörspiel für den WDR. Die amerikanische Regisseurin Laura Kuhn hat nun den Versuch unternommen, das Stück als "gespielte Installation" auf die Bühne zu bringen. Cages Werk ist auch eine spielerische Auseinandersetzung mit der künstlerischen Moderne. So leichtfüßig der Abend daherkommt, verlangt er doch des kundigen Zuschauers. In der Bearbeitung des historischen Materials hat Cage sich alle Freiheiten genommen. Angeordnet wurde es nach dem Zufallsprinzip. Das Resultat ist ein Nebeneinander von Ansichten und Einsichten zur Kunst, amüsant und gelehrsam, aber auch hermetisch und versponnen. Und deutlich wird: Große Künstler sind immer auch begnadete Exzentriker.

12 Darsteller sind auf der treppenartigen Bühnenkonstruktion postiert und ändern nur selten ihre Haltung. Allein der Erzähler bewegt sich anmutig zwischen den Figuren, stiftet Verbindungen, regt zu intellektuellen Sprüngen an. Außergewöhnlich an dem Abend ist seine Besetzung, dessen Star Merce Cunningham ist: Der amerikanische Choreograph ist mit seinen 82 Jahren fast schon eine künstlerische Legende. Er tanzt nicht, er verkörpert Erik Satie, vielmehr den Geist von Monsieur Satie. In dieser Rolle kann er im Plauderton allerlei Amüsantes vorbringen. Und wo er nicht ganz textsicher ist, macht er dies mit einem Lächeln wett. John Cage war sein künstlerischer Weggefährte, und jeder Einfall seines verstorbenen Freundes scheint ihn heute noch zu entzücken. "Je mehr man zu den Musikern gehört, desto verrückter wird man", stellt Satie fest. So lauscht man Cunningham verwundert, wenn er Saties Vorstellungen von einer Möbliermusik darlegt. Duchamp wird zum wandelnden Kartenmuseum oder spielt Schach mit Robert Rauschenberg. Joyce liest Auszüge aus "Finnegans Wake" und Joseph Beuys erklärt auf einer Party des irischen Romanciers zwei Fasanen dessen Werk.

Die Musik zu "Alphabet" wurde erstmals von Mikel Rouse realisiert. Die Komposition - nach dem Zufallsprinzip entstanden - kombiniert zahlreiche Toneffekte: den Klang von Fahrrädern, Rasenmähern, Fabriksirenen und Autortüren. Manchmal wird dem Zuschauer oder Zuhörer ein wenig schwindelig, wenn er den artistischen Eskapaden folgt. Doch dann kann man den lächelnden Merce Cunningham betrachten. Der keine Erklärungen parat hat, sie auch nicht braucht. "Das Meer ist voller Wasser. Warum, werden wir nie wissen."

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