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Eigenwillig und stilsicher. Marina Achenbach, 1939 in Zagreb geboren. Sie war Mitbegründerin der Wochenzeitung „Freitag“.

© dpa/Paco Knoeller

„Ein Krokodil für Zagreb“ von Marina Achenbach: Sehnsucht nach Tito

Die Mutter floh vor den Nazis. Mit dem Roman „Ein Krokodil für Zagreb“ setzt die Journalistin Marina Achenbach ihr ein Denkmal und schafft ein beeindruckendes Zeitporträt.

Als Ado von Achenbach, Sohn eines hohen preußischen Beamten und Kommunist, 1936 vor den SA-Trupps aus Berlin flieht, mit nichts als einem handgroßen Krokodil unter dem Hemd, ahnt der Tierfreund noch nicht, dass ihm in Zagreb eine junge Reporterin namens Seka begegnen wird. 1942 flüchten sie vor der in Jugoslawien einrückenden Wehrmacht, kriechen unter beim Achenbach-Clan, bis die Nazis Großmutter Paula, eine Tochter des Bankiers Pringsheim, nach Theresienstadt deportieren und Ado ins KZ Außenlager Mittelbau-Dora verschleppen. Vor den Bomben flieht Seka aus Berlin nach Ahrenshoop, wo sie den Krieg überstehen.

Sekas Tochter Marina Achenbach, 1939 in Zagreb geboren und später Mitbegründerin der Wochenzeitung „Freitag“, setzt ihrer Mutter mit dem Roman „Ein Krokodil für Zagreb“ nun ein Denkmal. Schon während der Wendezeit in Berlin und im Jugoslawienkrieg hatte Achenbach mit ihren eigenwilligen Reportagen einen ganz eigenen Stil begründet.

Sehnsuchtsland der Familie wird Jugoslawien

Nach dem Zweiten Weltkrieg soll für die Familie alles anders werden in der neuen DDR, die man mit den Freunden, dem späteren Kulturminister Johannes R. Becher oder dem Schriftsteller Alfred Kantorowicz, Sekas späterem Ehemann, aufbauen will. Ado leitet eine avantgardistische Kunsthochschule in Schloss Belvedere in Weimar, während unten in der Stadt das Staatstheater prunkt.

Später geht Seka mit den Kindern zurück nach Berlin, immer noch in festem Glauben an den neuen Staat. Ein weiteres Kind wird geboren, Nikola, wunderlicher Tierliebhaber wie sein Vater. Doch Seka, die „Titoistin“ fällt in Ungnade, Misstrauen und Denunziation sind allgegenwärtig, sodass sie das Land verlässt, nicht als „Zonenflüchtling“ und auch nicht, weil sie glaubt, die BRD sei der bessere Staat. Denn Sehnsuchtsland der Familie bleibt Jugoslawien und die dalmatinische Küste. Rückkehr, das hatte Sekas Vater gesagt, gibt es nicht, nirgendwohin.

Die eigenen Erlebnisse und die Erinnerungen der Mutter werden verwoben

Marina Achenbachs eigenes Erleben und die Erinnerungen der Mutter fließen in dieser aus 120 zusammengesetzten Bildern bestehenden ungewöhnlichen Familiengeschichte zusammen zu einem beeindruckenden Ost und West überspannenden Zeitporträt. „Was Ado und Seka uns doch erspart haben“, werden die Kinder später sagen, wenn sie Altersgenossen von ihren NS-Eltern reden hören.

Marina Achenbach: Ein Krokodil für Zagreb. Roman. Edition Nautilus, Hamburg 2017. 218 Seiten, 19,90 €.

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