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Kultur: Ein Künstler unter Künstlern sein

Der Vieleskönner: Zum Tod des Filmregisseurs, Produzenten, Autors und Schauspielers Peter Schamoni

Ein Dezenter. Ein Höflicher. Eine Erscheinung, wie aus einer längst untergegangenen Zeit in die unsere gefallen. Ein Ästhet und Gourmet auch war Peter Schamoni, ein Genussmensch – in Frankreich hätte man ihn wohl einen Bonvivant genannt. Und zugleich: ein Gentleman.

Auch wenn man ihn ewig vorschnell mit dem Erfolgskino der Sechziger Jahre gleichsetzt und seine Produzentenkarriere oft höher einschätzt als die des Regisseurs: Peter Schamoni, geboren am 27. März 1934, war ein Mann der Kunst. „Film“, sagte er einmal, „ist für mich nicht nur ein Beruf, sondern eine Art Lebensform, eine künstlerische Form. Das Schöpferische, das ist für mich immer das Schönste.“

In eine Theaterfamilie hineingeboren, wächst Schamoni mit drei Brüdern auf – der fünf Jahre jüngere Ulrich sollte in den Sechzigern mit ihm zu einem großen und besonders populären Namen des Neuen Deutschen Films aufsteigen. 1954 macht er in Münster sein Abitur, beginnt dort ein Studium der Theater-, Literatur- und Kunstgeschichte und zieht ein Jahr später nach München um. München sollte, für 55 Jahre, sein Lebensmittelpunkt werden, mit einem Haus mitten in der Stadt, unweit der Isar. Schauspielunterricht und Regieassistenzen am Staatstheater München folgt 1957 der erste Dokumentarkurzfilm, „Moskau 57“.

Fünf Jahre später unterzeichnet Peter Schamoni, zusammen unter anderen mit Alexander Kluge und Edgar Reitz, das Oberhausener Manifest und erklärt Papas Schnulzenkino für tot. Für sein Spielfilmdebüt „Schonzeit für Füchse“ (1965) holt er gleich drei Bundesfilmpreise und einem Silbernen Berlinale-Bären, und mit „Zur Sache, Schätzchen“, der turbulenten Komödie von Regisseurin May Spils mit einer flott-frivol-feschen Uschi Glas in der Hauptrolle, produziert er zwei Jahre später einen Hit, der sagenhafte sechs Millionen Deutsche ins Kino zieht. Die Komödie, die das Lebensgefühl der Studentenrevolte und der Achtundsechziger intelligent zur Massenkompatibilität zurechtschleift, wird das, was man „Kult“ nennt. Fortan fährt Schamoni doppelgleisig: Er produziert das Gefällige, um das Avantgardistisch-Anspruchsvolle – auch manche Filme seines Bruders Ulrich – inszenieren zu können, darunter über 30 Dokumentarfilme.

Entscheidend für die Biografie und letztlich auch die Filmografie Peter Schamonis aber wurde die Begegnung mit Max Ernst. Erstmals traf er ihn, da war er ein eben 29-jähriger Jungfilmer – und widmete ihm einen ersten Dokumentarfilm, dem vier weitere folgen sollten (zuletzt 1991 „Max Ernst – Mein Vagabundieren, meine Unruhe“). Alljährlich wiederholten sich die Begegnungen mit dem großen Surrealisten in Frankreich, bis zu Max Ernsts Tod 1976. Von ihm, den er als eine Art Ziehvater betrachtete, sprach Schamoni immer wieder, er nannte ihn seine „geistige Vaterfigur“. Überhaupt verlegte sich Schamoni, als Regisseur, immer mehr auf Dokus über Künstler – und das mit durchaus eklektischem Zugriff. Für „Hundertwassers Regentag“ erhielt er 1973 eine Oscar-Nominierung. Und in „Frühlingssinfonie“ (1983) setzte er – mit der ätherischen Nastassja Kinski und mit Herbert Grönemeyer in den Hauptrollen, der schwierigen Liebe zwischen Clara Wieck und Robert Schumann ein Denkmal.

Seine filmischen Arbeiten, vor allem die Künstlerporträts, lassen sich am ehesten als – ausdrücklich an Max Ernst geschulte – Collagen bezeichnen. Es sind Montagen aus Dokumentarischem und Fiktivem, Kombinationen aus Archivmaterialien und nachgestellten Spielszenen. Eine DVD-Box, die er vor einigen Jahren selbst zusammenstellte, nannte er „Künstleredition“, und ein autobiographisches Buch von 2003 „Filmstücke“. Entstanden ist so ein entspannt kompilierte Gesamtwerk, das Blicke auch auf so verschiedene künstlerische Handschriften wie die von Caspar David Friedrich und etwa Niki de Saint Phalle umfasst. Mit der Dokumentation „Botero – Geboren in Medellin“ (2008), seinem letzten Film, ist Schamonis ureigener Ausstellungsraum abgeschlossen.

Als Peter Schamoni im März seinen 77. Geburtstag feierte, war er voller Pläne. Ein „Best Of“ aus seinen Filmen wollte er zusammenstellen, mit den schönsten Momenten, den schönsten Bildern aus seinen Stücken, und auch eine Hundertwasser-Ausstellung plante er mit Verve. Wenige Tage später erfuhr er von seiner tückischen Krebserkrankung. Am Dienstag ist Peter Schamoni in einem Münchner Krankenhaus gestorben.

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