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Kultur: Ein Nobelpreis gegen den Clash der Zivilisationen

Was die Auszeichnung für die Iranerin Schirin Ebadi bewirkt

Dass die iranische Menschenrechtlerin Schirin Ebadi vom Nobel-Komitee auserkoren wurde, ist ein bedeutender Schritt, um den „Clash of Civilizations“ in einen Dialog der Zivilisationen zu verwandeln. Ausgerechnet Ebadi, eine muslimische Anwältin, Richterin und Autorin, unter 165 Kandidaten auszuwählen, das ist so kühn wie überraschend. Und diese Wahl sendet ein Signal an beide Lager – an die alten Garden in den muslimischen Gesellschaften, die sich gegen Reform und demokratischen Wechsel verbarrikadieren, wie an die Neokonservativen in Washington, die an gewaltsame Regimewechsel in der muslimischen Welt glauben.

Ebadis Wahl bringt zum Ausdruck, dass der Wandel aus der Gesellschaft selbst heraus geschehen sollte, unter der Leitung von Reformern, die den Prinzipien der Demokratie, der Menschenrechte und der Gewaltfreiheit verpflichtet sind. Dieser Friedensnobelpreis wird weit über die iranischen Grenzen hinaus Wirkung zeigen. Ebadis Kampagnen für die Rechte von Frauen, von Kindern und Inhaftierten basieren auf einer neuen Interpretation islamischen Rechts, wonach allen Bürgern Gleichheit vor dem Gesetz garantiert ist, Religions- und Meinungsfreiheit.

Weil sie aus dem Innern der Gesellschaft heraus spricht, als Muslimin und als Iranerin, findet Schirin Ebadis Arbeit so ungeheure Unterstützung bei ihren Landsleuten. Es wird nicht lange dauern, bis dieser Preis im Kampf um Menschenrechte im Iran reiche Früchte trägt. Bleibt dann das internationale Augenmerk auf diesen Prozess gerichtet, wird es für das Establishment der Kleriker immer schwieriger werden, die Oppositionellen wie die Reformen von Präsident Chatami zu unterdrücken.

Ganz offensichtlich hat sich das Nobel-Kommitee entschieden, in den nicht deklarierten Kulturkrieg zwischen dem Islam und dem Westen einzugreifen, der seit September 2001 im Gang ist. Diese Wahl signalisiert dem Westen, dass Dialog, Aufklärung und gegenseitiges Verstehen beim Umgang mit der muslimischen Welt im Vordergrund stehen sollten. Implizit ist das auch eine Kritik am Irak-Krieg der USA. Aber die Botschaft an die muslimische Welt ist ebenso stark: Menschenrechte sind Grundwerte, die Moslems wie Nicht-Moslems teilen, und der Weg dorthin heißt: gewaltfreier Widerstand. Das bedeutet eine Verurteilung aller Gewaltakte muslimischer Extremisten. Schirin Ebadi repräsentiert jene Stimmen im Dialog der Zivilisationen, die allzu oft unterdrückt werden. Die Welt kann es sich nicht länger leisen, diese Stimmen zu überhören.

Die Exil-Iraner Ausma Khan und Nader Hashemi leben als Menschenrechtler und Wissenschaftler in Toronto, Kanada.

A. Khan, N. Hashemi

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