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Kultur: Ein Offizier und Gentleman

„Fetzen aus meinem Leben“: Die Akademie der Künste erinnert an den Schauspieler O.E. Hasse

Im hohen Alter hat er sich noch einmal auf ein Theaterabenteuer eingelassen und sich einem Regisseur anvertraut, der für ein ganz anderes Theater stand, als das, was O.E. Hasse sein Schauspielerleben lang verkörpert hatte. Mit siebzig Jahren stand Hasse, damals längst ein populärer Kino-Star, in der Uraufführung von Tankred Dorsts Stück „Eiszeit“ als Knut Hamsun auf der Bühne, Regie: Peter Zadek. Das war 1973 – und Zadek, auf der Höhe seines Ruhms, war der radikale Antipode eines gepflegt stilvollen Theaters. Die ungleiche Partnerschaft scheint beiden gefallen zu haben: Wenige Monate nach der Bochumer Premiere zeigten sie das Stück in Berlin, im darauffolgenden Jahr inszenierte Zadek mit Hasse Brendan Behans „Die Geisel“. Ein Foto in der Akademie der Künste, die den Schauspieler – wie auch das Schwule Museum (Tagesspiegel v. 8.7. 2003) – zu seinem 100. Geburtstag mit einer Ausstellung ehrt, zeigt den spitz lächelnden Zadek und den stets Contenance bewahrenden O.E. Hasse.

Würde, Distinktion und souveräne Eleganz ist es, was fast alle Fotos Hasses in der kleinen Ausstellung vermitteln: Ein Herr, der auf Abstand hält. Lustvoll räkelt er sich im Video, das ihn in einer Boulevardkomödie von Sasha Guitry zeigt, im Sessel: Noch als Komödiant ein Gentleman, der seine kleinen Intrigen und Charme-Attacken mit lässiger Formbeherrschung auskostet. Das ist das alte, das ganz alte Theater – und es zeigt noch im körnigen Schwarz-Weiß-Video das Vergnügen, das Hasse daraus zieht, sich selbst und seine Mitspieler mit trockener Ironie zu behandeln: Wir sehen einen Menschen, der das Leben nicht ernster zu nehmen gewillt ist, als ungedingt nötig.

Die Ausstellung zeigt beides: Den Kino-Star der Fünfzigerjahre und den Theaterschauspieler, der seit den Dreißigerjahren zu den Protagonisten wichtiger Bühnen zählte. Der Weg zur ersten Garde der damaligen Schauspieler begann an Otto Falckenbergs Münchner Kammerspielen, wo Hasse seit 1930 mit Käthe Gold und Elisabeth Flickenschild auftrat, ein viriler Mann, der in wenigen Jahren Dutzende von Rollen spielte. Die Bilder lassen nichts ahnen von den Brüchen und Gefährdungen in seinem Leben. Für die heroischen Figuren, wie sie die Nazis liebten, war er zu kultiviert, in seiner ganzen Ausstrahlung zu sehr Zivilist. 1939 wurde er als Homosexueller denunziert und für zwei Monate inhaftiert.

Bis Kriegsende konnte er nur noch kleine Filmrollen spielen und an zweitrangigen Bühnen unterkommen. Ein bizarres Dokument in der Akademie-Ausstellung zeigt, wie damals Theater gespielt wurde: 1941 teilt der Direktor des Künstlertheaters Berlin dem Schauspieler mit, wie er seinen Text zu ändern habe: „Auf Anordnung des Herrn Reichsdramaturgen dürfen Sie in dem Zwischenspiel nicht mehr sagen: ,Ich machte mir vor, man könne einen Tyrannen durch die Gewalt der Lächerlichkeit vernichten.’" Hasse musste auf der Bühne statt vom „Tyrannen“ von einem „Popanz“ sprechen.

Ein Spätentwickler: Seine große Karriere machte Hasse erst als reifer Mann. Als ihn Hitchcock für „I confess“ nach Hollywood holte, stand der Schauspieler kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag. In Deutschland konnte er, gerade weil er sich im Faschismus nicht exponiert hatte, in Filmen wie „Canaris“ oder „Der Arzt von Stalingrad“ glaubwürdig den moralisch anständig gebliebenen deutschen Offizier zeigen – kein Wunder, dass die nach solchen Figuren bedürftigen Nachkriegsdeutschen in seine Filme strömten. Diese durchaus ambivalente Entlastungsfunktion, die zu Hasses Filmkarriere nicht wenig beigetragen hat, reflektiert die Akademie-Ausstellung leider in keiner Weise.

Akademie der Künste, Hanseatenweg 10 (Tiergarten), bis 30. Sep., tgl. 11–20 Uhr.

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