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Kultur: Ein paar Euro mehr für die Kinder

Seit dem 1. Juli gelten neue Unterhaltsleitlinien. Doch die höheren Sätze gibt es nicht automatisch

SONDERTHEMA: RECHT & STEUERN

Ist die Ehe kaputt, lässt der Streit übers Geld nicht lange auf sich warten. Da geht es dann darum, wer dem anderen den Auszug finanzieren muss, wer die Kosten für die neuen Möbel übernimmt, vor allem aber, wer künftig welchen Unterhalt zahlt.

Familienrechtlich begründete Unterhaltsansprüche bestehen zwischen Verwandten in gerader Linie – insbesondere also zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Eheleuten. Die Berechnungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf finden im Bundesgebiet aus alter Tradition heraus – in der so genannten Düsseldorfer Tabelle – die stärkste Beachtung, auch wenn viele Oberlandesgerichte ihr eigenes Süppchen kochen und eigene Unterhaltstabellen erstellen. So etwa in den neuen Bundesländern, wo Wirtschaftskraft und Einkommen vielfach dem Bundesdurchschnitt hinterher hinken.

Doch warum all der Aufwand? Der Unterhaltsverpflichtete schuldet dem Ex-Ehegatten oder den Kindern nach dem Gesetzeswortlaut immer nur den angemessenen Unterhalt – und das ist ein dehnbarer Begriff. Den muss der Richter in jedem Einzelfall im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens konkretisieren. Ohne entsprechende Unterhaltsleitlinien würde das in ein Rechtsprechungs-Chaos ausarten, weil jeder Richter die Unterhaltshöhe frei festsetzen könnte.

Zum 1. Juli 2003 sind nun die Leitlinien für den Unterhalt angehoben worden. Die Anhebung freilich hält sich in Grenzen. Als Unterhaltsrichtwert für ein sechsjähriges Kind etwa gelten bei einem Netto-Einkommen von 1600 Euro künftig 275 Euro monatlich als angemessen statt wie bisher 260. Doch übers Jahr gerechnet summiert sich diese Differenz immerhin auf 180 Euro.

Die Erhöhung bedeutet allerdings nicht automatisch, dass der Unterhaltsberechtigte davon unmittelbar profitiert. Denn wenn die automatische Anpassung nicht in einer Klausel des jeweiligen Unterhaltstitels (Vergleich oder Urteil) festgeschrieben ist, wird der Unterhalt erst dann erhöht, wenn sich der unterhaltsberechtigte Elternteil darum kümmert. Die erhöhte Unterhaltsverpflichtung tritt dann erst ab Beginn des Monats in Kraft, in dem die Zahlung eingefordert wurde.

Auch in der Rechtsprechung hat es in letzter Zeit einige neue Urteile gegeben. So hatte der Bundesgerichtshof vor gut zwei Jahren geschiedenen Frauen, die während der Ehe den Haushalt allein geführt haben und nicht berufstätig waren, den Rücken gestärkt: Ihr Arbeitsverdienst nach der Scheidung wird seitdem nicht mehr auf den Unterhalt angerechnet. Damit soll ihr oft jahrzehntelanges Engagement für das gemeinsame Heim und die Kinder im Nachhinein wenigstens ansatzweise honoriert werden. Verdient der Ehemann beispielsweise 1800 Euro und hat die Frau nach der Scheidung erstmals eine berufliche Tätigkeit aufgenommen, die mit monatlich 1000 Euro entlohnt wird, so hatte sie nach der alten Rechtsprechung keinen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ex-Gatten. Nach der neuen Rechtsprechung bekommt sie 342,86 Euro im Monat. Viele ehemalige Hausfrauen haben damit Anspruch auf mehr Unterhalt als ihnen ursprünglich vom Gericht zugesprochen worden war.

Allerdings blieb in der Entscheidung offen, ob das auch für bereits abgeschlossene – rechtskräftige – Scheidungsverfahren gilt. Die Oberlandesgerichte Köln (Az.: 26 WF 78 / 02) und Koblenz (Az.: 11 UF 319 / 02) haben das kürzlich bejaht. Beide Gerichte wollen alle Altfälle, in denen das Arbeitseinkommen der Ex-Gattin noch vom Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Partner abgezogen wird, auf Antrag neu entscheiden. „Das sind ganz wichtige Entscheidungen, denn es bedeutet, dass jede während der Ehe nicht berufstätige Frau, die im Keller noch einen alten Unterhaltstitel liegen hat, eventuell eine Anpassung verlangen kann“, erläutert der Kölner Fachanwalt für Familienrecht Udo Völlings.

Ist die Ehefrau während des Zusammenlebens allerdings vollschichtig erwerbstätig und setzt sie dies auch nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes fort, muss sie sich dieses Einkommen nach Ansicht des OLG Hamm nach der Trennung auf den Unterhaltsanspruch gegen ihren Ex-Mann anrechnen lassen (11 UF 321 / 02).

Für einige Furore sorgt auch ein neues Urteil des OLG Dresden, das es Unterhaltsschuldnern künftig schwerer machen dürfte, sich gegenüber Unterhaltsberechtigten auf die eigene Schuldenlast zu berufen (Az.: 10 UF 684 / 02). Nach dem Richterspruch müssen sie nämlich das neue Verbraucherinsolvenzverfahren beantragen, wenn sie wegen angeblicher Schulden überhaupt keinen Unterhalt mehr zahlen wollen. Die Oberlandesgerichte Düsseldorf und Stuttgart hatten das in früheren Entscheidungen noch für unzumutbar gehalten. Die Dresdner Richter meinen dagegen, dass dem Unterhaltsschuldner trotz Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens wegen der Anhebung der Pfändungsfreigrenzen zum 1.1.2002 ein ausreichender finanzieller Freiraum verbleibe.

Noch bis Sonnabend findet in Brühl die Jahrestagung der Familienrichter mit rund 500 Teilnehmern statt. Infos zu ihren aktuellen Forderungen – auch zum Unterhaltsrecht – unter: www.dfgt.de . Weitere Infos zum Unterhalt unter: www.rak-berlin.de/aktuelles

Marcus Creutz

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