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Kultur: Ein Rundgang über die Kölner Kunstmesse "Art Cologne"

Die momentane Tendenz des Kunstmarkt scheint darin zu bestehen, dass es keine Tendenz mehr gibtVanessa Müller Es ist leicht, sich auf der "33. Internationalen Messe für Moderne Kunst" in den Kölner Messehallen zu orientieren: links hängen wie immer die Klassiker die Moderne, rechts die aktuellen Positionen der Gegenwartskunst.

Die momentane Tendenz des Kunstmarkt scheint darin zu bestehen, dass es keine Tendenz mehr gibtVanessa Müller

Es ist leicht, sich auf der "33. Internationalen Messe für Moderne Kunst" in den Kölner Messehallen zu orientieren: links hängen wie immer die Klassiker die Moderne, rechts die aktuellen Positionen der Gegenwartskunst. Die einen mit großzügig dimensionierten Räumen, die anderen mit etwas kleineren Kojen. Doch ob Accrochage oder Einzelpräsentation, solide Hängung oder installatives Konzept: Das Publikum strömt gleichermaßen durch die Hallen. Das ist das Erfolgsrezept der "Art Cologne" - radikal Zeitgenössisches und etablierte Moderne in friedlicher Koexistenz. Während das Berliner "Art Forum" in diesem Herbst mit dem Slogan "Kauft mehr Kunst!" warb, braucht man sich in Köln allerdings auch kaum Sorgen über Mangel an konsumfreudigem Publikum zu machen. Das Rheinland ist traditionell die Heimat der Sammler und Museen, die Messe etabliert genug, einen breiten Radius potenzieller Käufer anzuziehen.

Mit insgesamt 264 Galerien aus 18 Ländern zwar noch immer ein wenig zu groß, dafür aber verstärkt bemüht, Tendenzen zu bündeln und das Angebot zu präzisieren, gibt sich die Art Cologne entsprechend selbstbewußt. Die Auswahlkommission unter Vorsitz von Karsten Greve hatte erstmals Galeristen aus Italien, Großbritannien und den Niederlanden in die Jury gebeten, und prompt finden sich einhundert ausländische Teilnehmer unter den Ausstellern. Doch diese Internationalisierung ist vor allem Resultat der noch stärkeren Orientierung in Richtung Gegenwart: die Jungen operieren transnational, und ihre Galeristen ziehen mit. Verhandelt wird auf englisch.

Vor allem der zahlungskräftigen Klientel wird noch immer ein qualitätvolles Angebot aus Klassischer Moderne und Moderne geboten. Die Kölner Galerie Gmyrzynska beispielsweise bietet eine fast schon museale Präsentation: Mappenwerke von Arp und Schwitters, ein Gemälde von Picasso ("Büste der Marie Therèse", 1936) für 1,4 Millionen Mark und ein 1960 entstandenes Body-Painting-Werk von Yves Klein für 3,5 Millionen. Doch die Grenze für das Attribut "klassisch" rückt stetig weiter in die Gegenwart. "Modern" ist, wer vor einigen Jahren noch als Newcomer gehandelt wurde. So gehört, wer den Hype um die Brit Art überstanden hat, jetzt zu den etablierten Größen. Umgerechnet 600 000 Mark kostet die Installation "When Logic Dies" des englischen Provokateurs und Turner-Preisträgers Damien Hirst bei Jay Joplins "white cube gallery" - eine Fotografie mit der Nahaufnahme eines Kopfschusses, davor ein großer Tisch mit den nötigen Operationsutensilien, dieses Geschoss aus dem Schädel zu entfernen. Joplin, der nach längerer Absenz erstmals wieder in Köln dabei ist, stellt denn auch nüchtern fest: "Kunstmesse heißt Kunst verkaufen." Die eine Wand seiner Messepräsentation hat er für Fotografien von Tracey Emin reserviert, die dieses Jahr für den Turner-Preis nominiert ist - das gibt Bonuspunkte und lässt den Marktwert steigen.

Das ganz aktuelle Zeitgeschehen, das auf der Berliner Messe eine Großteil der Präsentation ausmachte, läuft in Köln allerdings noch immer in der Sparte Nachwuchsförderung. 14 Galerien profitieren von den ermäßigten Standgebüren des als Verjüngungskur konzipierten Programms "Junge Galerien", und insgesamt 25 Künstlerinnen und Künstler dürfen in speziellen Kojen zum Nulltarif erstmals ausstellen. Hier findet man dann die Kunst der späten neunziger Jahre, die auch preislich in einer anderen Liga spielt. Es fällt auf, dass sich die Zeit der adaptierten MTV-Ästhethik ihrem Ende nähert: Ob die Installation aus Metallmodulen von Stefan Kern bei Hammelehle & Ahrens, die zwischen Wände gezwängt ein kleines Labyrinth für sich eröffnet, das zum Anheften mitgebrachter Zettel auffordert - Kommunikation im Zeitalter der Flyer-Kultur - oder die komplexen Architekturpanoramen von Silke Schatz bei Meyer Riegger: Es darf wieder nachgedacht werden.

Die Fotografie, die nach wie vor eine prominente Rolle spielt, scheint von ihrem Lieblingssujet eines qua Reproduktion authenfizierten Alltags zu konzeptuelleren Strategien überzugehen, die um die mediale Verfremdung des Wirklichen wissen. Auch in etablierteren Sphären hat das Medium einen deutlichen Marktanteil erobert, ob die Klassiker in Schwarz-Weiß oder die strengen Topographien der Düsseldorfer Becher-Schule. Auffällig sind zahlreiche Neuauflagen von Werken aus den frühen achtziger Jahren, die gerade ihr erstes Revival erleben. Videoarbeiten hingegen sind deutlich weniger als 1998 vertreten, dafür meldet sich langsam die Sparte Malerei zurück, auch bei der ganz jungen Kunst.

Dennoch scheint die momentane Tendenz des Kunstmarkt darin zu bestehen, dass es keine Tendenz mehr gibt. Ziemlich "out" allerdings ist die Skulptur. Der Skulpturenpark im hinteren Teil der Hallen setzt diese unterrepräsentierte Gattung zwar unübersehbar in Szene, wirkt im Kontext der Messe jedoch überdimensioniert. Als separate Verkaufsschau "Köln Skulptur" gibt er 28 Galerien Gelegenheit, einen ihrer zeitgenössischen Bildhauer zu präsentieren. Die meisten wählten das monumentale Einzelwerk, so Karsten Greve mit einer über vier Meter hohen Stahlplastik von Bernard Venet, deren hintereinander gestaffelte Segmentbögen mit Raum und Volumen spielen. Mit fast 1,3 Millionen Mark dürfte diese Arbeit perfekt in die von den Ausstellern anvisierte Kategorie "Kunst am Bau" fallen - als "Kunst im Bau" wirkt sie eher deplaziert.

Signale in Richtung Zukunft sind in diesem Bereich eher schwach zu empfangen. Als "Anregung an Unternehmen, ihre Bauten verstärkt mit guter Skulptur zu bereichern", dürfte die Sendefrequenz dennoch reichen. Und nachdem das vergangene Wochenende mehr den Charakter eines Branchen-Treffs hatte, ist Montag bereits der Alltag auf der "Art" eingekehrt. Schulklassen lagern auf dem Fußboden der Eingangshalle, das Publikum trägt nicht mehr einheitlich schwarz, und bei Jay Joplin wird bereits Nachschub an die Wand genagelt: erneut von Tracey Emin, diesmal Zeichnungen.Köln, Messe, bis 14. November, täglich 11 - 19 Uhr. Eintritt 20 Mark. Katalog 28 Mark.

Vanessa Müller

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