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Kultur: Ein starker Rücken

Mein Herz klopft. Um mich herum rauscht, rattert, tutet und knattert, pfeift und kribbelt es.

Mein Herz klopft. Um mich herum rauscht, rattert, tutet und knattert, pfeift und kribbelt es. Halt – das Kribbeln ist in mir. Es kommt aus meinem Bauch. Noch enger schmiege ich mich an den wunderbar warmen Rücken vor mir. Schneller, noch schneller! Hinein in den Großstadtverkehr, schlängel dich vorbei an all den Autos! Unsere Kleidung weht im Wind, so dass ich meinen Rock festhalten muss. Die Sonne scheint in mein Gesicht. Ich schließe die Augen, und da ist es wieder: das Kribbeln. Ist es das Gefühl zu fliegen, oder liegt es an dem Mann, der vor mir sitzt?

Ich muss zugeben: Selbst habe ich nie eine Vespa gelenkt. Warum? Ich finde, die Rolle des Mitfahrers hat Stil. Ich bin Audrey Hepburn, wie sie sich in „Roman Holidays“ von hinten an Gregory Peck schmiegt. Über seine Schulter blinzel ich ins Gegenlicht. Ich lasse den Blick schweifen, verliere mich in Träumen, spüre meine Erinnerungen. Wie ich mit meinem besten Freund durch Rom sause, immer den Tiber entlang, es riecht nach Pinien und ich werde wieder zum achtjährigen Mädchen, sitze hinter dem alten Massimo in einem Dorf am Lago die Bolsena, dann wieder denke ich an Paris, Ménilmontant hinauf und den Hügel später hinunter, zurück ins 10. Arrondissement, den selben Rücken vor mir wie heute. Jetzt sehe ich die Spree. Wir fahren meine Berliner Lieblingsstrecke über die Oberbaumbrücke nach Kreuzberg und zum Paul-Lincke-Ufer.

Wir müssen anhalten, die Ampel ist rot. „Na, träumst du wieder?“, kommt es von vorn. Ich lächle, wissend, dass ich den besseren Part beim Fahren habe. Die rote Vespa auf der gegenüberliegenden Spur winkt zu uns herüber. Auch wir heben die Hand, ein Lächeln durch den Helm, und die Ampel wird wieder grün. Schade, dass wir kein Rennen fahren wie in Paris, wo jetzt zwanzig andere Roller neben uns stünden. Ein kurzer Ruck beim Anfahren, und unsere Helme stoßen aneinander. Wir müssen lachen, das passiert uns dauernd. Ich schlinge meine Arme um den Fahrer, er berührt mein Bein. Alleine wäre Vespa fahren doch langweilig. Und mal im Ernst, wer hätte nicht gern Audrey Hepburn dicht hinter sich?

— Bisher erschienen: Unterwegs zu Fuß und mit dem Fahrrad. Als nächstes: Unterwegs auf der Luftmatratze

Sarah Hofmann

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