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Kultur: Ein starkes Stück

350. Man glaubt es kaum.

350. Man glaubt es kaum. 350 Fernseh- und über 40 Kinofilme stehen auf ihrer Liste. Barbara Valentin muss hart gearbeitet haben - und galt doch als Partymädchen, als Busenwunder, als blondes Gift. Sexstar! Kokainverdacht!! Mit solchen Attributen verfolgten die Gazetten die ehemalige Gattin Helmut Dietls. Richtig, sie war eine Skandalnudel - und doch ist das falsch. Wegen Fassbinder. Denn in seinen Filmen trat Barbara Valentin als Charakterdarstellerin auf, in "Effi Briest", in "Welt am Draht" (beide 1974), in "Lili Marleen" (1981).

In "Angst essen Seele auf" (1974) steht sie hinter der Theke. Barbara, die Barfrau im Leoparden-Outfit, schenkt Ali, dem Schwarzen, ein Bier ein und schert sich nicht um das Gerede der Spießer. So wie Fassbinder sich nicht um die Parole seiner Regie-Kollegen kümmerte, die besagte, Opas Kinos sei tot. Mehr noch als Brigitte Mira oder Karlheinz Böhm, die er ebenfalls in seine wilden und gleichwohl geschichtstrunkenen Deutschland-Geschichten hinüberrettete, verkörperte Valentin das Unterhaltungskino der späten fünfziger Jahre. Ein starkes Stück Freiheit: die Mainstream-Heldin als Außenseiterin, gewöhnlich und aufmüpfig - Fassbinder entdeckte in ihr das Doppelgesicht der Nation.

Angefangen hatte die Tochter des Filmarchitekten Hans Ledersteger und der Schauspielerin Irmgard Alberti als Softpornostar. Ihre Filme trugen so bezeichnende Titel wie "Das Mädchen mit den schmalen Hüften" (1966) oder "In Frankfurt sind die Nächte heiß" (1960). Dieses Image wurde die gelernte Kosmetikerin trotz Fassbinder nie wieder los. Wäre er nicht der einzige geblieben, der die Kontinuität mitten im Aufbruch der sechziger Jahre ins Bild rückte, hätte Valentin ihren Platz im Autorenkino gewiss behauptet.

So wurde sie zur Fernsehserienheldin, bis sie sich 1991 zurückzog - nach dem Tod ihres letzten Lebensgefährten Freddie Mercury. Vor einem Jahr kämpfte sie erstmals mit dem Tod und saß seitdem im Rollstuhl, wie einst ihre Filmrivalin Martha in Fassbinders gleichnamigem Beziehungsdrama.

Jetzt ist Barbara Valentin mit 61 Jahren in München gestorben.

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