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Kultur: Ein Sterblicher unter Halbgöttern

Die Forschung hat den ersten Präsidenten der USA in den vergangenen Jahren aus dem Olymp der Halbgötter auf die Erde geholt und nur bestätigt, was Zeitgenossen schon längst wussten: Washington war der pragmatische Macher unter den "Halbgöttern", wie Jefferson die Mitglieder der Verfassungsversammlung in Philadelphia 1787 einmal nannte. Franz Herre folgt dieser Sichtweise und ist vor allem am Menschen George Washington interessiert, der ja allzu oft hinter dem Klischee des großen Staatsgründers (der er nicht war) oder des guten Kirschbaum-Onkels (der er auch nicht war) verborgen geblieben ist.

Die Forschung hat den ersten Präsidenten der USA in den vergangenen Jahren aus dem Olymp der Halbgötter auf die Erde geholt und nur bestätigt, was Zeitgenossen schon längst wussten: Washington war der pragmatische Macher unter den "Halbgöttern", wie Jefferson die Mitglieder der Verfassungsversammlung in Philadelphia 1787 einmal nannte. Franz Herre folgt dieser Sichtweise und ist vor allem am Menschen George Washington interessiert, der ja allzu oft hinter dem Klischee des großen Staatsgründers (der er nicht war) oder des guten Kirschbaum-Onkels (der er auch nicht war) verborgen geblieben ist.

Kein Wunder, dass es in der Stadt, die seinen Namen trägt, heute nur ein anonymes Monument für diesen Mann, nicht aber eine Statue gibt - George Washington ist eben schwer zu (be)greifen. Franz Herre ist in erster Linie Biograph, dann erst Historiker: Zwei Drittel des Buches beschäftigen sich daher mit dem jungen Leutnant Washington, dem wirtschaftlich erfolglosen Plantagenbesitzer und schließlich dem stets müden General des Unabhängigkeitskrieges. Dabei wird klar, dass Washington, lange bevor er - eher widerwillig - Präsident wurde, das Verdienst gebührt, den 13 Kolonien die Unabhängigkeit militärisch geschenkt zu haben, weil er den zerstrittenen Haufen aus Milizionären in eine schlagkräftige Armee verwandelte. Dank seiner taktischen Fähigkeiten konnte diese Armee die Supermacht England während des Unabhängigkeitskrieges 1776 - 1783 in die Knie zwingen.

Dem Charakter dieses im Grunde einfachen Mannes nähert sich der Autor dabei mit viel Einfühlungsvermögen. Washington war kein Machtmensch wie sein Adjutant und späterer Finanzminister Hamilton, und erst recht kein Visionär wie sein erster Außenminister Jefferson. Aber gerade deshalb war er der ideale erste Präsident. Nichts lag ihm ferner als persönliche Machtentfaltung; Autorität gewann er durch seine Ausstrahlung und die öffentlich betonte Unterordnung unter die Staatsräson. Das geriet ihm in seiner zweiten Präsidentschaft zum Nachteil, als er zwischen dem Idealisten Madison und dem Realpolitiker Hamilton fast zerrieben wurde. Washington war also , dies erkennt Autor Franz Herre ganz richtig, die Inkarnation des uramerikanischen Spannungsverhältnisses zwischen Macht und Moral.Franz Herre: George Washington. Präsident an der Wiege einer Weltmacht. Stuttgart: DVA 1999. 416 Seiten. 49,80 DM.

Jürgen G. Scheunemann

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