zum Hauptinhalt

Kultur: Ein Weltverbesserer

Hoffnungen, die Welt könne sich endgültig zum Vernünftigen wenden, wollen sich partout nicht erfüllen.Gerade für Albert Hetterle aber galt lange, daß der Mensch beeinflußbar, zum Besseren hin zu bewegen sei - auch und besonders durch die Geschichten, die das Theater erzählt.

Hoffnungen, die Welt könne sich endgültig zum Vernünftigen wenden, wollen sich partout nicht erfüllen.Gerade für Albert Hetterle aber galt lange, daß der Mensch beeinflußbar, zum Besseren hin zu bewegen sei - auch und besonders durch die Geschichten, die das Theater erzählt.Völlig aufgegeben hat der heute vor 80 Jahren in Odessa geborene und in der Sowjetunion aufgewachsene Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter diese Hoffnung noch immer nicht.Er steht zu seiner Überzeugung, daß Theater hilfreich sein kann für die abenteuerlichen Wechselfälle des Lebens, daß es den Zuschauer klüger, gefaßter, sensibler entlassen sollte.

"Aus Leiden wird man klug" hat Hetterle als Lobkowitz in George Taboris "Mein Kampf" zu sagen - der Satz entspricht seiner Lebenserfahrung.Im Maxim-Gorki-Theater, dessen Intendant er von 1968 bis 1994 war, trat er entschlossen für einen anderen, einen menschlichen Sozialismus an.Mit Gorki, in dessen Stücken das Zwielichtige, auch das Zerstörerische der bolschewistischen Revolution in Geschichten und Figuren auf hellsichtige Art eingebracht ist, mit Stücken zeitgenössischer russischer Autoren wie Gelman und Schatrow, die sich den Verheerungen des Alltags in der Sowjetunion stellten.Lenin gegen Stalin, die Stoßrichtung der Schatrow-Stücke, das war in den siebziger Jahren sehr mutig, und wieder ein Irrtum.Aber es bereitete den Weg vor für die kompromißlose Gestaltung von Wirklichkeit auf dem Theater.Volker Brauns "Übergangsgesellschaft", 1987 uraufgeführt, wirkte wie ein Signal: Abschied von verbrauchten, entwerteten Idealen, Übergang von der Lüge zur Wahrhaftigkeit - in der Familie, in der Gesellschaft.Dafür aber mußte die Villa des Höchst-Clans (und also die DDR, wie die Zuschauer damals mit dem Autor wohl schon ahnten) angezündet, weggebrannt werden.

Albert Hetterle spielte in Brauns Stück den Kommunisten Höchst als einen alten Mann, der dem bitteren Scheitern seines Mühens ruhig ins Auge sieht und dennoch Humor, Überlegenheit bewahrt hat.Dieser Höchst stand über den Dingen und hielt sich doch nicht heraus - Braun mag an Hetterle gedacht haben, als er diese Figur formte.Denn der Intendant stand selbst in der Spannung von Bewahren und Erneuern.Er machte sein Theater zum lebendigsten Berlins in der Endzeit der DDR, er bahnte Regisseuren wie Thomas Langhoff den Weg, er ließ sich durch Verbote und Repressalien nicht einschüchtern.Gerade die Jungen standen zu ihm, als er nach der Wende wegen seiner Mitgliedschaft und seiner Ämter in der SED von Berliner Politikern angegriffen wurde.Seine Kollegen wußten es besser, würdigten den Mut, mit dem Hetterle subversive Arbeit geleistet hatte, mit dem er sich nun neuen Aufgaben stellte.Der Abschied von der Intendanz, 1994, fiel ihm nicht leicht.Nun "nur noch" Schauspieler, verzichtet Hetterle aber durchaus nicht auf Urteile.Er mag Theater nicht, das sich vorwiegend auf Zerstörungen einläßt.Aber er ist neugierig geblieben und möchte zugehörig bleiben.In jeder Premiere "seines" alten, neuen Hauses ist er da, aufgeschlossen, streitbar.Und als Lobkowitz wird er am 7.November wieder auf der Bühne stehen: Albert Hetterle, der manche gesundheitliche Gefährdung in den letzten Jahren tapfer gemeistert hat, bleibt an Bord.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false